Beispiel Flüchtlingskrise. St. Blasien, tief im Schwarzwald, 17 muslimische Flüchtlingskinder besuchen dort die katholische Kollegschule; AfD-affine Schüler gibt’s auch. Eine komplett veränderte Unterrichtssituation, neue Konfliktlinien und ein Spiegel der Gesellschaft in einem (Klassen-)Zimmer. Wie können wir mit so etwas umgehen?
Pfarrer Heinrichgeorg Rothe, Evangelische Landeskirche; Pater Klaus Mertes SJ, Dr. Ulrich Schiefer, AEU (von links)
AEU/BKU Gesprächsabend in Stuttgart mit Pater Klaus Mertes SJ und Pfarrer H-G Rothe -
Pater Klaus Mertes SJ, Kollegsdirektor in St. Blasien, ermuntert die Zuhörer sich, nach der ersten Ratlosigkeit, auf das Fremde oder den Fremden, dem sie da begegnen einzulassen.
Vier Anhaltspunkte könnten helfen:
Schon der Konzilstext „nostra aetate“ postuliert Wertschätzung und eine überraschende neue Offenheit gegenüber dem Islam (und anderen Religionen),
Wissen über den Koran hilft ebenfalls weiter, beispielsweise die Ähnlichkeit vieler Erzählungen in Altem Testament und Koran („Brennender Dornbusch“, etc.),
Das Kreuz, ein menschgewordener Gott, ist für Muslims eine verstörende Vorstellung; im Islam ist das Wort, der Koran, heilig (Buch-Religion),
Unterscheiden von Religion und Kultur.
Im Alltag bricht immer wieder Unverständnis auf, auf beiden Seiten, ob Israel/Palästina oder die Macht traditioneller Familienstrukturen im täglichen Kampf mit unseren Vorstellungen des selbstbestimmten Miteinanders. Wie sollen wir reagieren? Der ignatianische Ansatz: den ersten, vielleicht wütenden Impuls zulassen, dann tief Luft holen und die Situation reflektieren. Deutsche haben eben deutsche Gefühle, Araber arabische Gefühle. Man muss auch nicht alles verstehen.
Vorbild Jesus? Er hat sich immer wieder mit „Ausländern“ eingelassen, Syrern, Leuten anderen Glaubens. Wie hat er es gehandhabt? Pfarrer Rothe berichtet viele persönliche Erlebnisse im Nahen Osten und hier in Württemberg, und er plädiert für das Wagnis der Nachbarschaft – praktisch und theologisch. Immer hat es damit zu tun, sich zu treffen und besser kennenzulernen. Das führt auch wieder zurück zur Schule. Das ist der Ort, wo viel geht – und wo auch Bildungspolitik noch viel mutiger agieren muss.
Die sehr lebendige Diskussion unter den etwa 40 Teilnehmern zeigt die Pole, zwischen denen wir uns bewegen. Vielen begegnet der muslimische Flüchtling nur in den Medien. Andere erleben das gemischt konfessionelle Ärzteehepaar, deren Kinder in die Moschee gehen und christliche Glaubensgrundlagen nur am Rande mitkriegen. Oder die junge Frau mit Kopftuch, die sich für ein Praktikum bewirbt. Manchmal auch die eigene Ratlosigkeit oder Defensive angesichts der entschiedenen Glaubensbekundung von Muslimen.
Die Dinge einfach mal auf sich zukommen lassen ... der eigene Standpunkt entwickelt und schärft sich in der Begegnung mit der/dem Fremden. „Neuer Wein in neuen Schläuchen“ bedeutet, dass auch wir uns verändern, durchaus aus dem Geist des Evangeliums. Dann braucht uns um unsere christlich-abendländische Identität auch morgen nicht bange sein.
Reinald Wolff, DG Vorsitzender Stuttgart