Einmal im Quartal nehmen anlässlich des Kambacher VIP-Talks bekannte Personen zu Themen und Problemen des Zeitgeschehens Stellung.
Zu Gast der Generalvikar des Bistums Aachen Dr. Andreas Frick
„Ein Gespräch . . . stirbt, so oder so, in dem Augenblick, da man nicht mehr aufeinander hört. Hören ist die Grundtugend des Gesprächs, und nur der hört gut, der ganz hört. Ganz hört aber nicht schon, wer alles hört, es sogar so hört, wie es gemeint ist; ganz hört erst, wer im Hören wägt, was er hört.“
(Hemmerle, Klaus: Enzyklika und Dialog. Der Stellenwert des Lehramts im kirchlichen Gespräch, in: Rheinischer Merkur 23 (1968) 36, S. 4 – 5.)
Aachen - Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich danke Ihnen sehr herzlich für die Einladung. Herr von Reumont und Herr Brüning, über die die vorherigen Absprachen stattfanden, verwiesen darauf, dass der heutige Abend hier ja für mich ein „Heimspiel“ sei. In der Tat komme ich immer gerne zu Terminen nach Eschweiler. Hier war ich von 2007 bis 2015 Pfarrer an St. Peter und Paul, bevor mich Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff im Januar 2015 als seinen Generalvikar berief. Sie alle haben mitbekommen, seit fast genau einem Jahr hat das Bistum Aachen einen neuen Bischof, Dr. Helmut Dieser, der mich ebenfalls als seinen Generalvikar berief, und von dem ich Sie alle herzlich grüßen darf.
Sie haben mich eingeladen, über das christliche Menschenbild als Wettbewerbsfaktor zu sprechen. Der Untertitel ist dann gleich noch eine erhebliche Herausforderung: Wie bringt sich die Katholische Kirche in Deutschland in den gesellschaftlichen Veränderungsprozess ein? - Ganz einfach und klassisch gesagt, indem sie das Evangelium, die Bibel bekannt macht und an Gottes Weisheit erinnert, indem sie beispielsweise in der Caritas- und Flüchtlingsarbeit an Orte geht, an die keiner gerne geht. Das tut sie auch in der Trauerpastoral und in ihren Hospizen. Das tut sie aber vor allen Dingen auch, wenn sie von ihrem Menschenbild her fragt, wo die Talente sind – auch die jungen und streitbaren Talente – und sie konstruktiv vernetzt, in den kirchlichen und gesellschaftlichen Diskurs. Die Kirche ist dem gesellschaftlichen Veränderungsprozess im Nationalen und Europäischen Ethikrat vertreten, macht Öffentlichkeitsarbeit aus humanitären Gründen, sie ist präsent in Bildung und Erziehung.
Die Rede über das Menschenbild hat ihren klassischen Ort in der Anthropologie, aber über Anthropologie zu reden, ist kein Semesterthema, sondern ein Lebensthema. Eine halbe bis allerhöchstens eine dreiviertel Stunde – so wurde mir mitgeteilt – habe ich für den Vortrag. Ich muss mich also sehr reduzieren. So möchte ich heute besonders uns in den Blick nehmen, die wir heute hier zusammengekommen sind zum VIP-Talk in Kooperation mit dem BKU, Diözesangruppe Aachen, und das, obwohl man das Thema auch auf den gesamtdeutschen, europäischen und den globalen Markt ausdehnen könnte. Wir wissen: Menschlichkeit muss im Kleinen beginnen, also bei mir, bei Ihnen, bei jedem einzelnen, der sie als Wert bejaht. Und so stellen sich mir verschiedene Fragen und deshalb nenne ich einige Themen, mit denen ich am Anfang ein bisschen das Feld aufreißen möchte:
Was ist eigentlich das „christliche Menschenbild“?
Ist dieses ein Wettbewerbsfaktor oder gar Vorteil für jeden Arbeitgeber, der sich daran orientiert?
Auch für die Kirche als Arbeitgeber?
Ist dieser Faktor dann auch noch produktiv?
Wirft seine Anwendung vielleicht sogar Gewinn ab?
Und wenn ja, wie und welchen?
Eine erste These:
Unternehmerischer Erfolg ist menschlicher Erfolg.
Unternehmerischer Erfolg ist auch für andere ein Mehrwert. Für andere, die mitarbeiten am Mehrwert, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Kunden, für Mitglieder, für alle Gesprächspartner. Viele Menschen profitieren ggf., wenn auch auf unterschiedliche Weise, von unternehmerischem Erfolg. Aber es geht dabei nicht nur um Geld in der Wertschöpfungskette. Ist es nicht erstaunlich, dass Menschen, die uns vielleicht jetzt spontan einfallen, und sicher auch wir selbst sogar gutes Geld geben und viel Zeit einsetzen, manchmal einen ganzen „vitalen Teil unseres Lebens“, damit Erfolge entstehen, gerade im Zusammenwirken von Talenten und Ideen?
Eine zweite These:
Der Mensch ist das Maß allen Wirtschaftens. Das betonen wir Christen, also auch Kirche selbst als Organisationsform muss sich daran messen, wenn sie im Bereich des Wirtschaftens arbeitet und als Wirtschaftsfaktor erkennbar ist. Vielleicht bringen wir gerade das in die Veränderungsprozesse unserer Gesellschaft ein, wo vieles unter Druck, unter Zeitdruck und Ressourcenknappheit steht. Ich bin sicher, dass wir Christen das besonders in Zukunft einzubringen haben.
Was genau, und wie bringen wir es ein? Kirche gilt ja nicht selbstverständlich als erfolgreiche Unternehmermarke. Und doch noch einmal die zweite These geschärft: Der Mensch ist jedenfalls das Maß für alles Wirtschaften, für alle Koordinationsaufgaben, auch für die gelebte Nächstenliebe, die caritas. Wir Christen, also auch die organisierte Christengemeinschaft, die Kirche hat eine Mission, eine gute Botschaft zu verkünden, wenn wir ein Ziel dauerhaft und glaubwürdig erreichen und erhalten wollen. Die Menschlichkeit ist das Maß.
Die religiös Ansprechbaren, Gläubigen oder Suchenden wissen oder erahnen, dass die Weisheit Gottes uns in diese Maßstäbe einführt, die im Alltag ggf. zu kurz kommen.
„Wer nach der Weisheit verlangt, wird sie erkennen. Wer ihretwegen wacht und an sie denkt, dem kommt sie entgegen.“
Das christliche Menschenbild als Wettbewerbsfaktor: Es geht um Menschen, um die Einzelnen und die Vielen auch in ihren kleinen Gruppierungen von Familie, Kollegenschaft, Kooperationen. Es geht aber dann immer auch um ein ganzes Stück Menschheit und um die Menschlichkeit. Ich möchte, und das soll mehr sein als ein Wortspiel, die ähnlich klingenden Worte aus ihren unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven einmal nebeneinanderstellen. Mensch, Menschen, Menschheit und Menschlichkeit: Das sind unterschiedliche Perspektiven, um sich über das zu verständigen, was ganz praktisch, hoffentlich hilfreich und grundsätzlich zum christlichen Menschenbild dazugehört.
Spielen wir das noch einmal in zwei biblischen Grundbegriffen durch: Wer ist denn unser „Nächster“? Das hat mit Nähe, Tiefe und Weite zu tun. Mit dem, der mir nun vor Augen steht, für den ich Zuständig bin, mit der Tiefe und Wahrhaftigkeit von personaler Begegnung und mit der Weite, dass wir nicht nur einen Moment erleben und regeln, sondern dass wir weit genug denken, gedanklich so weit, dass sich grundsätzliche Strukturen überprüfen, beleben und auch ggf. verändern lassen.
Und was bedeutet das für den Bedürftigen, der jetzt in einer Not ist, aus der er nicht herauskommt? Gleichzeitig das „Jetzt“ zu denken und wiederum Strukturen: Was ist das Nächste und Naheliegende, was ist gründlich genug gedacht, und führt weit genug und ist durchhaltbar, auch, weil es neben dem Konkreten gerecht ist.
Ich frage uns – nicht Sie allein: Wie viel Menschlichkeit können wir uns leisten, wie viel Menschlichkeit wollen wir uns leisten? Und wie viel Menschlichkeit müssen wir uns leisten, damit wir auf Dauer erfolgreich sind?
„Wer nach der Weisheit verlangt, wird sie erkennen, wer ihretwegen wacht und an sie denkt, dem kommt sie entgegen.“ (vgl.: Buch der Weisheit, Verse 12 -16):
"12 Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit; wer sie liebt, erblickt sie schnell, und wer sie sucht, findet sie. 13 Denen, die nach ihr verlangen, gibt sie sich sogleich zu erkennen. 14 Wer sie am frühen Morgen sucht, braucht keine Mühe, er findet sie vor seiner Türe sitzen. 15 Über sie nachzusinnen, ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen wacht, wird schnell von Sorge frei. 16 Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind; freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen und kommt jenen entgegen, die an sie denken.“
Ich möchte Ihnen einige Impulse vortragen, mit denen der Generalvikar des Bischofs, als Mensch, Christ, Priester und Manager eines Non-Profit-Unternehmens unterwegs ist. Mir selbst helfen dabei Perspektivwechsel, wie der, den wir am letzten Freitagabend im Aachener Dom erlebt haben, als Navid Kermani aus seinem Buch „Ungläubiges Staunen“ gelesen hat. Ein Muslim, Kind muslimischer Eltern, das in Deutschland geboren ist, mit ungeheurer deutscher Sprachfertigkeit, der die Fähigkeit hat, auch Außenbeobachtungen in aller Unverstelltheit zu erleben, sie einfühlsam lyrisch fast und bodenständig und in moderner Sprache in Formulierungen zum Ausdruck zu bringen, dass man nur staunen kann. Gleichzeitig beschäftige ich mich in diesen Tagen damit, die Bilanz des Bistums Aachen für das Jahr 2016 in ein paar Tagen öffentlich vorzustellen. Und wir ringen um das Budget 2018. Es geht um echte Millionenbeträge, es geht aber vor allem um viele Menschen, die Ideen und Begehrlichkeiten haben, es geht um große Verpflichtungen eines großen Arbeitgebers, es geht also auch hier um ein kurz- und mittelfristiges Planen von Finanzen und Personen in ihrer Wechselbeziehung, mitten in einem Generationswechsel und angesichts von vielen Außenanfragen und einer grundsätzlichen Aufgabenkritik.
Ja, auch das Bistum Aachen kennt Fachkräftemangel. Der Generationswechsel ist ein Thema. Wir fragen uns: Wie können wir Frauen mit ihren persönlichen Begabungen fördern und noch mehr in Leitungsaufgaben einführen? Da hat Katholische Kirche offensichtlich aus ihrer männlich geprägten und klerikerbasierten Leitungsidee noch reichlich Luft nach oben. Was ist der Markenkern von Kirche in der Zukunft, so wie sie Menschen wichtig und hilfreich ist, eben nicht als Fragen nur für den kurzen Erfolg, sondern so, wie er nachhaltig wirkt? Was ist unser „employer branding“, was ist unser Markenzeichen? Was für ein Veränderungsprozess steht im Bistum Aachen an, das in seinen ganz unterschiedlichen Gliederungen etwas über 37.000 Anstellungsverhältnisse mit sehr unterschiedlichem Beschäftigungsumfang und tariflichen Eingruppierungen und für sehr unterschiedliche Ausbildungsberufe und Studienrichtungen bietet, das vor allem aber wirksam wird durch die über 40.000 verbindlich ehrenamtlich mitarbeitenden Menschen? Ich finde es großartig, dass in diesem Rahmen in Eschweiler, im Haus Kambach durch die gemeinsame Initiative mit dem BKU, namentlich durch die Initiative von Herrn Brüning und Herrn von Reumond, dass ich als Generalvikar des Bischofs von Aachen zu Ihnen sprechen darf. Der Bischof ist, wie Sie wissen, seit ziemlich genau einem Jahr im Amt.
Wie will ich meine Überlegungen verstanden wissen?
Ich möchte aus meinem alltäglichen Arbeiten im Bischöflichen Generalvikariat erzählen, aus Perspektiven zu einer strategischen Veränderung. Vielleicht kommt Ihnen manches fremd vor, vielleicht manches von den Beispielen gleich sogar sehr kleinteilig, wenn ich exemplarisch werde, aber vielleicht steckt genau in dieser Transparenz und diesem Werkstattbeitrag die Chance, dass Sie Ähnliches in Ihren Unternehmen jetzt wiedererkennen und noch einmal neu bedenken und in unser Gespräch hier oder mit anderen einbringen. Möglicherweise gibt es auch ein paar gewollte und ungewollte Provokationen, die uns miteinander nachdenklich machen und eine Ideenbörse bereichern.
Der Philosoph Richard David Precht spricht in seinem Buch „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ über die moralischen Grundlagen des Menschen. Die biologischen Voraussetzungen, die den Menschen überhaupt moralfähig machen, sind:
• eine angeborene affektive Tötungshemmung
• die grundsätzliche Fähigkeit zu Mitgefühl
• ein elementares Gefühl für Unfairness.
Also: Wer ist der Mensch denn nun? Der Homo Oeconomicus? Oder im brutalen Skeptizismus von Darwin „Homo homini lupus est?“ – Der Mensch ist dem Menschen dein Wolf?
Precht sagt im Grunde genommen, dass wir, wenn wir uns menschlich verhalten und weitsichtig sind, den Blick der anderen konstruktiv mit einbeziehen, kluge Szenarien entwickeln und Formen des Zusammenspiels gedanklich antizipieren. Entscheidend sei dabei, um welche „anderen“ es sich dabei handelt – mit dem Ergebnis: Je näher an uns dran, umso eher handeln wir moralisch bzw. umso moralischer handeln wir. Er spricht vom Blick der „Horde“ auf uns und unser Handeln. Und diese Sicht begrenzt: Die Menschen, die uns wichtig sind, sind nie viele. Wir leben in einer überschaubaren Gemeinschaft, die uns wichtig ist.
Daher passt auch der Kategorische Imperativ nach Kant: Aus Selbstachtung als Mensch ist man verpflichtet Gutes zu tun. Es geht oft scheinbar nur um einen beschränkten Kreis von Personen. Der Mensch kann nicht materiell „der Menschheit“ verpflichtet sein, das vollständig übersehen und emotional mit nachvollziehen, weil „Menschheit“ ein Abstraktum ist, das wir so nicht erreichen. „Menschheit“ ist keine für die Individualmoral überschaubare Kategorie. – Oder doch? Wenn „alle“ immer so handeln würden und es viele aufmerksam tun, ist da nicht doch Veränderung möglich, ein Ruck durch die Gesellschaft, ein Ruck durch Europa, ein Ruck durch die globalisierte Welt? - Immanuel Kant formuliert in seinem Kategorische Imperativ :„Handle so, also ob deine Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetze (aller vernünftigen Wesen) dienen sollte.“
In den Urlaub vor ein paar Wochen begleitete mich ein Buch von Joachim Bauer, der das „Prinzip Menschlichkeit“ ähnlich und doch anders aus neuromedizinischer Sicht entwickelt: Eigentlich glücklich sind Menschen dann, wenn sie mit anderen ein großes Projekt schaffen. Etwas unternehmen, etwas zusammenbekommen und auf längere Zeit zusammenhalten macht glücklich, spornt an, lässt uns reifen und weiterlernen.
Zum christlichen Menschenbild gehört überhaupt die Dimension des „lebenslänglich“. Das zeigt sich herausragend in der christlichen Lehre und Erfahrung der Ehe, in der alle Aspekte des Lebens vorkommen und in Treue, Wachheit und Vergebungsbereitschaft im Idealfall zu einer großen Erfüllung führen, die mit nichts anderem zu vergleichen ist. Diese Treue gilt besonders für die eigene Nachkommenschaft, dann für die Familie im weiteren Sinn und die Freundschaften. Sie hat das christliche Unternehmertum geprägt. Erstaunlich in der Antike: Selbst die Sklaven sehen sich als Teil der Hausgemeinschaft (Familia)! Deswegen wollten viele von ihnen sich nachweislich nicht in „die Freiheit“ entlassen lassen, denn es wäre ihnen nie besser gegangen, als zu einer solchen Großfamilie zu gehören.
Was von solcher personal geprägten Treue kann Unternehmen prägen und verändern?
Der Mensch ist Individuum. Aber für unser christliches Menschenbild ist viel entscheidender, dass er „Person“ ist, dass in ihm eine „Mehr“ steckt, als es äußerlich scheint. Und das soll vorkommen in allen gottgegebenen Talenten eines Menschen. Der einzelne Mensch, die vielen Menschen, die mehreren in ihren sozialen Zusammenhängen, auch in der Kollegenschaft und in der praktischen Ideenbörse am Arbeitsplatz, in der Ahnung von Menschheit unter der Rücksicht der großen internationalen und globalen Wirkungen auf verschiedenen Ebenen und in alldem die Frage nach der Menschlichkeit, nochmal die Polydimensionalität also des Menschseins.
Daraus ergibt sich aus meiner Sicht – als wäre das ein Kontrast zur großen Leistung von Unternehmern: Die Kirchen sind in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder als Mahner in der Arbeiterfrage aufgetreten, haben sich stark in Position gebracht in verschiedenen Solidaritätsaktionen für Arbeitslose, besonders Langzeitarbeitslose, Menschen, die unter Niedriglöhnen leiden, wie z.B. auch all die Ernte-Arbeiterinnen und -Arbeiter aus den östlichen europäischen Staaten.
Das Bistum Aachen engagiert sich in dieser Frage seit langem nicht nur durch seine Einrichtung Oskar-von-Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath, dessen Leitung zum zum 1. Februar 2018 der bisherige Leiter der Abteilung 'Grundfragen und Grundaufgaben der Pastoral' im Bischöflichen Generalvikariat, Dr. Manfred Körber, übernimmt. 1980 rief Bischof Klaus Hemmerle den pastoralen Schwerpunkt „Kirche und Arbeiterschaft“ aus. Heute haben wir als Kirche die gesamte Gesellschaft im Blick, wenn wir eher von Sozialpastoral sprechen.
Papst Franziskus hat in seiner beeindruckenden Rede zur Verleihung des Karlspreises an ihn am 6. Mai 2016 die Arbeitslosigkeit – vor allem die Jugendarbeitslosigkeit – scharf angeprangert, denn die Jugend sei nicht die Zukunft unserer Völker, sondern ihre Gegenwart. Er sagt: „Wir können nicht an ein Morgen denken, ohne dass wir ihnen eine wirkliche Teilhabe als Träger der Veränderung und des Wandels anbieten. Wie können wir unsere jungen Menschen an diesem Aufbau teilhaben lassen, wenn wir ihnen die Arbeit vorenthalten?“
Die gerechte Verteilung der „Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit“ sei keine bloße Philanthropie. Sie ist eine „moralische Pflicht“, so der Heilige Vater.
Die Neukonzeption unserer Gesellschaft bedürfe der Schaffung würdiger, lukrativer Arbeitsplätze. Nach seiner Überzeugung erfordere das die Suche nach neuen „inklusiven, gerechten Wirtschaftsmodellen“, die nicht auf das Wohl einiger Weniger, sondern auf das Wohl eines jeden Menschen ausgerichtet sind und dass „als Priorität weiterhin das Ziel verfolgt wird, allen Zugang zur Arbeit zu verschaffen.“
Und wie soll aus solchen hohen Ansprüchen des christlichen Menschenbildes eine angemessene Unternehmenskultur entstehen? Sie haben mich heute Abend als Generalvikar des Bischofs von Aachen eingeladen, der gleichzeitig auch Ökonom des Bistums Aachen ist. Vielleicht gibt es ja sogar in unserer eigenen Unternehmenskultur Ansätze und Wettbewerbsfaktoren, die unsere Nachdenklichkeit beflügeln können.
Ich möchte Ihnen, wie anfangs beschrieben, nun ein paar Einblicke geben in das Bistum Aachen und speziell in seine Facetten als Arbeitgeber:
Wir beschäftigen rund 398 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im allgemeinen Bistumsdienst, 227 Frauen und 171 Männer. 193 Mitarbeiter sind zwischen 51 bis 60 Jahre alt. Bis 2027 werden 18 Führungspositionen vakant.
614 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählte 2016 das pastorale Personal (davon 272 Priester und Diakone und 342 Laien (Pastoralreferent/innen, Gemeindereferent/innen, Pastoralassistent/innen) im pastoralen Dienst), 683 Menschen arbeiten an unseren Bischöflichen Schulen. Schauen wir noch weiter und schließen die Caritas mit ein, kommen noch rund 31.000 Menschen hinzu. In der Summe sind das rund 32.695 Menschen. Schließlich sind noch 7029 Menschen hauptamtlich in unseren Pfarreien beschäftigt. In Summe sind also 39.724 Menschen im Bistum Aachen direkt oder mittelbar hauptberuflich für die Kirche tätig. Ehrenamtlich engagieren sich 40.328 Menschen innerhalb des Bistums Aachen.
Wir sind als Arbeitgeber allerdings auch ein wenig anders. Wir haben wie jedes andere Unternehmen sowohl eine wirtschaftliche Verantwortung als auch eine soziale Verantwortung gegenüber all diesen Menschen, unseren Mitarbeitern. Das schließt Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter ebenso mit ein wie auch die Sicherung von Arbeitsplätzen, die tarifliche Vergütung oder die Absicherung von Pensionsansprüchen.
Kleiner Einschub an dieser Stelle: Zur Absicherung zukünftiger ökonomischer Risiken sowie der Pensionsrückstellungen bilden wir eine Rücklage in Höhe eines Jahreshaushalts. Zu dieser Absicherung reduzieren wir jährlich unsere Kosten.
Diese Verantwortung für unsere Mitarbeiter übernehmen wir sehr gerne, denn wir fühlen uns unseren Mitarbeitern und ihren Familien sehr verbunden. Umgekehrt erwarten wir jedoch auch eine gewisse Verbundenheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Katholischen Kirche, zu unserem Grundauftrag, und wir erwarten eine gewisse Loyalität und auch eine Haltung und Lebensweise, die unserem Glauben entspricht.
Das Bistum als Ausbildungsbetrieb:
Wer nicht die Ausbildung und Förderung von jungen Menschen wagt und in die Betriebe integriert, hat keine große Zukunft.
Welche Entwicklungschancen gibt es?
• Jedes Jahr bildet das Bistum Aachen zwischen 5 und 7 Menschen in den Berufen Kaufleute für Büromanagement, Duales Studium (BWL), Veranstaltungskaufleute, Fachinformatiker/-innen für Systemintegration aus
• Auszubildende werden möglichst übernommen
Wir bieten – so denken wir – ein interessantes Arbeitsumfeld:
• Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlichster Professionen: Hochschulabschlüsse in Theologie, Psychologie, (Sozial-) Pädagogik, Jura, Betriebswirtschaft, Architektur, Informations- und Kommunikationstechnik, kaufmännische Fachkräfte, Bilanzbuchhalter/innen, Personalfach- und Versicherungskaufleute, System- und Netzwerktechniker/-innen u.v.m.
• Konzeptionen und Instrumente auf fachlich hohem Niveau (z.B. Kirchliche Kinder- und Jugendarbeit, Personalentwicklung, Gezielte Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in Führung - Mentoring, Klima- und Umweltschutz usw.)
• Moderne und innovative Rahmenbedingungen: Flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten, Job-Ticket, Car-sharing, u.v.m.
• Vereinbarkeit von Familie und Beruf
• werteorientierte Personalführung
• Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt -> sinnstiftend
Wer kann sich alles beim Bistum bewerben?
• Gesucht werden beim Bistum insbesondere Betriebswirte und ITler, also echte Fachkräfte.
Was macht die Arbeit beim Bistum aus?
• Werteorientierte Personalarbeit (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist im Blick):
• Personalentwicklung ist ausgerichtet auf zukunftsfähig sein und Kompetenzen stärken durch Seminare, Schulungen, Trainings und Exerzitien
• Individuelle Förderung durch Jahresgespräche
• Für Führungskräfte: Kontinuierliche Führungskräfteseminare und Coachingangebote
• Stärkung der Dienstgemeinschaft durch Begegnungstag für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitarbeitertag, Teamentwicklung usw.
• Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten, Angebote für pflegende Angehörige (Pflegeerstberatung in Kooperation mit dem Caritasverband), Auszeiten bei Familienangelegenheiten, kreative Lösungen für schwierige familiäre Situationen, BU-Reduzierung und Berücksichtigung was Lage der Arbeitszeit angeht bei Rückkehr nach Eltern- oder Pflegezeit, u.v.m.
Entwicklungsperspektiven:
• Horizontale und vertikale Entwicklungsmöglichkeiten durch neue Herausforderungen aber auch durch den hohen Altersdurchschnitt
• Generationenwechsel, vor allem auch in Führungspositionen
Frauenförderung:
Wer die einzelnen Menschen nicht sieht, in ihren Lebensphasen und Potentialen, hat viel verpasst: Frauen, auch gerade vor, in und nach der Familienphase, bringen einzigartige Erfahrungen mit in professionelle Abläufe und Organisationsentwicklung.
Ziel ist es, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Wir wollen den Anteil hier deutlich steigern. Dazu haben wir auch Programme aufgelegt.
Mentoring-Programm des Hildegardisvereins:
Initiative der DBK, Teilnehmer: 14 (Erz-) Bistümer:
Im vergangenen Jahr hat das Bistum Aachen drei Mitarbeiterinnen in das Mentoring-Programm des Hildegardis-Vereins e.V. "Kirche im Mentoring - Frauen steigen auf" entsendet.
Zusätzlich wurde für drei weitere Mitarbeiterinnen ein internes Programm aufgesetzt. Das Mentoring-Programm motiviert Mitarbeiterinnen, Verantwortung in Führung wahrzunehmen. Das Bistum Aachen wird sich auch im kommenden Jahr am Mentoring-Programm beteiligen.
Quereinstieg:
Die glückliche Mischung aus frischem Wind, Außenblick und Berufs- und Lebenserfahrung ist ein neues Potential in der mobilen Gesellschaft.
Auch wir als Kirche kennen einen Fachkräftemangel:
Im Bistum Aachen gibt es 110 Sollstellen für Pastoralreferenten, davon sind derzeit 100 besetzt. Davon treten bis einschließlich 2023
29 in den Ruhestand. Aus der Berufseinführung treten jährlich absehbar nur zwei hinzu. Daher erprobten wir Möglichkeiten zum Quereinstieg.
In einer zweijährigen Projektphase haben wir die Möglichkeit von Quereinstiegen in den Beruf Pastoralreferent/in eröffnet. Voraussetzung ist jedoch ein theologisches „Vorleben“: Sie müssen einen Abschluss als Diplom-Theologe Nachweisen und als solcher 10 Jahre tätig gewesen sein. Bei einem ein auf zwei Jahre befristeten Einsatz als Pastoralassistent erfolgt dann eine Qualifizierungsphase auf dieser Stelle von in der Regel zwei Jahren („training on the job“). Diese Qualifizierung wird individuell auf den mit der jeweiligen Person vereinbarten Kompetenzerwerb zugeschnitten und eng begleitet durch Reflexionsgespräche, Exerzitien, geistliche Begleitung und Supervision. Nach erfolgreich absolvierter 2. Dienstprüfung und positiv verlaufender Bewerbung für eine weitere Anstellung erfolgt eine bischöfliche Beauftragung und die Übernahme in den unbefristeten Dienst als Pastoralreferent/in in der Regel auf der gleichen Einsatzstelle.
Im Zeitraum 2015-2017 konnten sechs Personen auf diesem Weg in den pastoralen Dienst genommen werden. Eine offensive Werbung für das Modell Quereinstieg war nicht notwendig, da durch die Kommunikation dieses Zugangs in die Berufsgruppe bzw. durch Initiativbewerbungen in relativ kurzer Zeit eine Reihe von Interessenten gewonnen werden konnten.
Die Fachabteilung meldet sehr positive Erfahrungen aus diesem Projekt zurück.
Dass wir daran interessiert sind, unsere Mitarbeiter voranzubringen, zeigt schon eine Besonderheit im kirchlichen Arbeitsrecht: der geregelte Anspruch auf Fort-und Weiterbildung, was somit auch die Aufstiegschancen erhöht:
Der Art. 9 der Grundordnung gewährt kirchlichen Mitarbeitenden einen Anspruch auf Fort- und Weiterbildung. Diese sollen neben den fachlichen Erfordernissen auch ethische und religiöse Aspekte des kirchlichen Dienstes umfassen.
Die Grundordnung (des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse) hat zum Leitbild die innere Verbundenheit aller in der Kirche Mitarbeitenden, die sogenannte Dienstgemeinschaft. Die Dienstgemeinschaft gebietet es, dass unterschiedliche Interessen bei Dienstgebern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter Beachtung des Grundkonsenses aller hinsichtlich des kirchlichen Sendungsauftrags ausgeglichen werden. Die Dienstgemeinschaftsidee bringt zum Ausdruck, dass der kirchliche Dienst ein besonderer Dienst ist. Arbeit im Dienst der Kirche ist immer auch das Mitwirken an ihrer Sendung – sie ist Religionsausübung. Denn zu den Grundaufgaben aller Christen gehören nicht nur die Verkündigung und der Gottesdienst, sondern auch das karitative und erzieherische Wirken in die Gesellschaft hinein im Geiste des Evangeliums.
Auskömmliche Vergütung:
Zwischen Gotteslohn und Sicherheit haben Menschen sehr viel Idealismus.
Ein Sprichwort sagt: „Arbeit muss man sich auch leisten können“. Heute tritt teils erschreckend zu Tage, dass das nicht immer zutrifft. Die Zahl derer, die ihr Gehalt einer Vollzeitstelle aufstocken müssen, weil es nicht auskömmlich ist, ist weiterhin hoch. Rund 1,2 Millionen Menschen beziehen Hartz-IV, obwohl sie einer Arbeit nachgehen. Wir als Arbeitgeber glauben daran, dass wir mit einer fairen Vergütung Menschen auch langfristig an uns binden können – teilweise „lebenslänglich“. Wir fühlen uns unseren Mitarbeitern und ihren Familien gegenüber verpflichtet. Die Menschen, die für uns arbeiten ,sollen dies auch gerne tun. Sie alle – nicht nur die Kollegen im Pastoralen Dienst - arbeiten mit am Auftrag der Kirche, an unserem Auftrag, das Evangelium zu verkünden. Bestenfalls erfüllt sie dies mehr als ein Job zum puren Broterwerb. Sie alle sind Teil der Kirche. Jeder auf seine Weise, mit seinen Talenten – nicht als reine Personalressource, sondern als Person, die nicht nur eine Funktion erfüllt, sondern mitarbeitet am Verkündigungsauftrag der Kirche.
Wir suchen junge Leute:
Sozialverträgliche und sozial motivierte Karrieren in Mitverantwortung für große Ziele
„Wie kann der Arbeitgeber Kirche auch in Zukunft Mitarbeiter gewinnen? Mehr als bunte Bilder und flotte Sprache. Die Zahl der Menschen, die sich der Kirche zugehörig fühlen, sinkt, und ihr Selbstverständnis spiegelt die gesellschaftliche Pluralität. Was bedeutet dies für die Positionierung der Kirche als Arbeitgeber? Was sollten die Verantwortlichen kirchlicher Arbeitgeber beachten, wenn sie Strategien entwickeln, um für Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu bleiben oder wieder zu werden?“
Mit diesen Worten beginnt Dr. Benedikt Jürgens vom Zentrum für angewandte Pastoralforschung der Universität Bochum einen Artikel in der Dezember-Ausgabe 2016 der Herder Korrespondenz.
Unser Ziel ist es, Menschen aus aus immer differenzierteren Lebenssituationen zu entdecken, sie als Kooperationspartner ernst zu nehmen und, dass wir als Kirche nicht nur ein relativ beständiger Arbeitgeber sind, indem wir beispielsweise bestimmte, verlässliche tarifliche Regelungen eingehen, sondern dass wir gemeinsam etwas als Solidar- und Dienstgemeinschaft bewirken können. Wir suchen dafür Profis und Idealisten zugleich.
Kirche im Bistum Aachen also als Arbeitgebermarke? Mir scheint, dass unsere Attraktivität als Dienstgemeinschaft sich an vielen Dingen entscheidet und sich so im positiven Sinne zeigt, aber immer neu im Alltag bewähren muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich bin mehr denn je überzeugt, dass aufwändig erarbeiteter sozialer Frieden in unserem Anspruch des Dritten Weges nicht nur für das gute Klima, sondern für die Wirksamkeit unserer verschiedenen Unternehmungen bedeutsam sind. Wir fragen uns kontinuierlich: Wie klar sind die Arbeitsfelder und Aufträge in unserer Organisation? Und das in Umbruchzeiten! Dürfen auch langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch einmal revolutionäre Ideen einbringen, gibt es in unseren Unternehmungen den Willen und Spielräume, aufgrund von gewachsenen Erfahrungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Menschen noch einmal neu in Position zu bringen? Auch nach Schulungs- und Sabbat-Zeiten? Mit welcher Methode entwickeln wir das neben dem oft hektischen Tagesgeschäft? Wie können Mitarbeiterjahresgespräche, Zielvereinbarungen, verbindliche Vereinbarungen auf Kontraktniveau, nicht gegen, aber zur Unterstützung der Wirksamkeit eines geltenden Arbeitsvertrages und die Veränderung der Aufbauorganisation neuen Schwung bringen und fördern? Sind wir auch in klaren Hierarchien hörfähig, um auch an die Leitungskräfte Feedback zu geben, an den Chef und die Chefin?
„Ein Gespräch . . . stirbt, so oder so, in dem Augenblick, da man nicht mehr aufeinander hört. Hören ist die Grundtugend des Gesprächs, und nur der hört gut, der ganz hört. Ganz hört aber nicht schon, wer alles hört, es sogar so hört, wie es gemeint ist; ganz hört erst, wer im Hören wägt, was er hört.“
(Hemmerle, Klaus: Enzyklika und Dialog. Der Stellenwert des Lehramts im kirchlichen Gespräch, in: Rheinischer Merkur 23 (1968) 36, S. 4 – 5.)
Klaus Hemmerle schreibt: „Der kostbarste „Produktionsfaktor“ – der Mensch – muß noch mehr in die Mitte unseres Bemühens rücken.“ Das kann man generell betrachten. Im speziellen heißt das, dass es bei aller Schau auf gesunde Produktivität auch Auszeiten geben muss. „Unsere Gesell¬schaft wird ihre Lebensfähigkeit nur bewahren, wenn es ihr ge¬lingt, eine „unverzweckte“ Zeit gemeinsamer Feste und Feiern freizuhalten, so daß der Mensch nicht in seinen Funktionen un¬tergeht. Bereits in der urchristlichen Gemeinde wurde der „Herrentag“ durch die gottesdienstliche Versammlung geheiligt (vgl. Apg 20, 7).
(Hemmerle, Klaus: Was haben Evangelium und Wirtschaft miteinander zu tun?, in: Vereinigung der Unternehmensverbände im Aachener Industriegebiet e.V.: Zur Sache 10 (1989).)
Ja, der Sonntag ist uns heilig! Papst Johannes Paul II beschreibt ihn als „unverfügbare Zeit“. Er warb in seinem Apostolischen Schreiben Dies Domini 1998 dafür, die Bedeutung des Sonntages wieder neu zu entdecken. Wenn nun jemand anmerken sollte, dass doch gerade die Kirche Sonntagsarbeit eher fördert, ist das so nicht richtig. Diejenigen Menschen, die in der Pastoral auch sonntags tätig sind, sind ja gerade die Garanten, dass der Sonntag mehr ist als ein von Arbeit befreiter Tag, der ansonsten auch auf einen Dienstag oder Freitag fallen könnte. Sie bringen ihre Expertise und Profession ein in die Pastoral zur Heiligung des Sonntags. Dazu sind sie berufen. Arbeitszeitrechtlich wird dafür selbstverständlich ein Ausgleich geschaffen. Möglichst wenige sollen helfen, die Menschen aus den vielfältigen Zwängen des Alltags zu befreien. Der Mensch soll sich aber auch immer wieder seiner Würde als Mensch und Christ im Klaren werden auch als Mitarbeiter am sozialen Frieden. Aber in der Ruhe liegt die Kraft, und der Sonntag ist ein Tag der Ruhe, der Erholung, der Seele und des Leibes, der engsten Sozialstrukturen und der eigenen Kreativität: Rekreation! Wenn der Christ die Heiligung des Sonntags feiert, geht es um Rekreation, Gemeinschaft und spirituellen Input zugleich.
Dazu noch ein kurzer gedanklicher Ausflug in das Feld des Gesundheitswesens mit dem kostbaren Gut der Gesundheit, ein Feld, das auch verbunden ist mit großen Geschäftsinteressen. Die Politik tut sich ungeheuer schwer, öffentlich und ausdrücklich zu sagen, dass nicht alles, was medizinisch möglich ist, so finanzierbar ist zu den jetzt geltenden Bedingungen: In diesem Feld gibt es also einen Kampf um Ressourcen und einen Konkurrenzkampf zwischen den Anbietern, der oft zu Lasten von Angestellten und Patientinnen und Patienten geht.
Wie verhalten sich dann christliche Anbieter? Wettbewerb ist ja keineswegs ein negativer Begriff. Durch die Qualität der erbrachten Leistungen und das Hervorstechen bestimmter Alleinstellungsmerkmale auch Patientinnen und Patienten zu gewinnen, sollten insbesondere kirchliche Träger von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einen zusätzlichen signifikanten Mehrwert ins Feld führen können: die Orientierung am christlichen Menschenbild, sichtbar in der Patientenversorgung und in der nachhaltigen Leistungsfähigkeit von Angestellten.
In seinem Buch „Dem Gutes tun, der leidet: Hilfe kranker Menschen – interdisziplinär betrachtet“ schreibt Prof. Arndt Büssing von der medizinischen Fakultät der Universität Witten/Herdecke: „In Analogie zum üblichen Verständnis dessen, was Wettbewerb ausmacht – nämlich durch die Qualität der erbrachten Leistungen und das Hervorstechen bestimmter Alleinstellungsmerkmale den Kunden zu gewinnen –, sollten insbesondere kirchliche Träger von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einen signifikanten Mehrwert ins Feld führen können: die Orientierung am christlichen Menschenbild. Die entschiedene christliche Profilbildung der kirchlichen Einrichtungen könnte zum tragfähigsten Fundament ihrer Zukunftssicherung – auch im Sinne einer klaren Marktpositionierung – werden.“
So werde das christliche Menschenbild zum Wettbewerbsvorteil.
Er sagt: „Gerade im Bereich der Gesundheitsfürsorge und der sozialen Dienstleistungen kann die Orientierung am christlichen Menschenbild in Form der Spiritual Care eine Attraktivität entfalten, die selbst diejenigen noch erreicht, die man zumindest nicht im traditionellen Sinn als religiös oder gar als kirchlich gebunden bezeichnen würde.“ . . . „Für die Motivation der Mitarbeiter, der hauptamtlichen wie der ehrenamtlichen, und deren qualifiziertes Engagement ist das Bewusstsein von der gelebten Teilhabe an der Menschenliebe Gottes nicht unwesentlich.'
Die entschiedene Profilbildung unserer unterschiedlichen Unternehmungen und Organisationsformen, in deren Wettkampf der Mensch sich als wichtig erleben soll, könnte zum tragfähigsten Fundament ihrer Zukunftssicherung werden, auch im Sinne einer klaren Marktpositionierung. Dazu braucht man aber Spielräume, wie Lebens- und Arbeitsräume gestaltet werden, wie Sorge um den Menschen und ethisches Bewusstsein ständig geübt, verbessert und als grundsätzliches Kulturprinzip erhalten wird. Wenn z.B. persönliche und strukturelle Überbelastungssituationen angeschaut und verändert werden, wenn persönliche Begleitung und allgemeine Schulung ineinandergreifen, ist ein Betrieb lebenswert und darf auf besondere Loyalität aller Beteiligten hoffen und wird bestmöglich leistungsfähig. Da ist ein Non-Profit-Unternehmen, dem kein Geld entzogen wird, vermutlich sehr viel flexibler, als Einrichtungen, die möglichst hohe Überschüsse erzielen sollen, um sie dem System zu entziehen. Was also ist kluger Gewinn? Wer sollte Mitgewinner sein, damit Arbeit erfüllend und erfolgreich ist?
Gedanken zum Schluss
Bei allem Bemühen und allen Selbstverständlichkeiten, die wir als Kirche im Bistum Aachen als Arbeitgeber an den Tag legen, unterliegen wir selbstverständlich also auch gewissen Marktbedingungen.
Unser christliches Menschenbild, unsere Art und Weise mit Mitmenschen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umzugehen, löst nicht alle Sorgen und offenen Fragen auf. Unsere Ausbildungsplätze sind immer belegt. Ziel ist eine Übernahme nach der Ausbildung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Unsere Ausschreibungen offener Stellen erfahren regen Zulauf auch von jungen Akademikern. Offenbar trauen viele Arbeitnehmer in allen offenen Fragen der Kirche zu, mit ihrem christlichen Menschenbild ein verlässlicher Arbeitgeber zu sein. Dieser Wettbewerbsfaktor ist in der Wohlfahrtspflege mit Blick auf die „Kunden“ sogar als Wettbewerbsvorteil anerkannt. Es scheint ein Wahrnehmungstransfer stattzufinden: Die Fürsorge im Umgang mit den anvertrauten „Kunden“ (mit Alten, Kranken, zu Pflegenden) wird ebenfalls für den Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angenommen. In diesen Fällen ist der Wettbewerbsfaktor für uns auch produktiv, da er Menschen ähnlicher/gleicher Sozialisiation und mit dem gleichen Menschenbild zusammenbringt.
Um zum Wettbewerbsfaktor werden zu können, bedarf es der Kenntnis in der „Öffentlichkeit“, dass es diesen gibt. Im Falle der Kirche – trotz erheblicher Erschütterungen in den letzten Jahren durch handfeste Skandale – arbeiten wir daran, dass das christliche Menschenbild sich immer wieder klar profiliert in den anstehenden Fragen, dass es prägend ist, dass es das berufliche Zusammenleben positiv beeinflusst. Ein Leitbild muss stark sein und gelebt werden. Es muss gelebte Unternehmenskultur bleiben, damit es langfristig, nachhaltig Wirkung erzielt. Eine Unternehmenskultur muss erkennbar und selbstverständlich geworden sein, damit sie Ihre Wirkung entfaltet.
Das christliche Menschenbild – Ein Wettbewerbsfaktor – Tue Gutes, aber sprich darüber! - So wie Marcus Wilp, Mitglied der Hamburger BKU-Diözesangruppe. Im Interview in der Ausgabe 41 unserer Kirchenzeitung sagt er: „Nachhaltig, fair und verantwortungsbewusst“ sollten christliche Arbeitgeber ihr Unternehmen führen mit dem Blick auf das Wohl der Kunden, der Firma und der Mitarbeiter.
Dem stellen wir uns auch im Bistum Aachen.
„Wer die Weisheit sucht, darf hoffen, dass er sie findet.“
Noch einmal das denkwürdige Gotteswort aus dem Buch der Weisheit:
"12 Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit; wer sie liebt, erblickt sie schnell, und wer sie sucht, findet sie. 13 Denen, die nach ihr verlangen, gibt sie sich sogleich zu erkennen. 14 Wer sie am frühen Morgen sucht, braucht keine Mühe, er findet sie vor seiner Türe sitzen. 15 Über sie nachzusinnen, ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen wacht, wird schnell von Sorge frei. 16 Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind; freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen und kommt jenen entgegen, die an sie denken.“
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Dr. Andreas Frick, Generalvikar des Bistums Aachen 16.11.2017