Pilger zwischen Welt und Zeit -
Mönch-sein heute

von Hendrik M. Rabbow

Von unserem Gast Pater Philipp aus der Benediktinerabtei Maria Laach durften wir in unserer Abendveranstaltung im Juli diesen Jahres einen Mönch erleben, der so gar nicht in die oft kolportierten Schubladen über katholische Ordensleute passt und der uns mit seinem ungewöhnlichen Lebenslauf, seiner offenen und authentischen Persönlichkeit sowie seiner lebendigen und humorvollen Vortragsweise sowohl überraschte als auch in den Bann zog.

In einem Elternhaus aufgewachsen, in dem der (evangelische) Glaube keinerlei Rolle spielte, entwickelte Pater Philipp schon in der Grundschule eine emotionale Bindung zur katholischen Kirche. Über einen Mitschüler entstand eine Beziehung zum katholischen Pfarrhaus in seiner unmittelbaren Nachbarschaft und schnell wurde Tobias (so der Taufname) zum „Kind des Hauses“. 35 Jahre pflegte Tobias den Kontakt zu den damaligen Mitgliedern des Pfarrteams, die für seine Berufung so immanent wichtig waren. Dies spürte er besonders beim Requiem für die im Jahr 2021 verstorbene ehem. Gemeindereferentin, für die er in Braunschweig die Eucharistie feiern und die Trauerpredigt halten durfte. Er zeigte uns allen auf, wie wichtig die persönliche, frohe und authentische Weitergabe des Glaubens für Berufungen zum christlichen Leben sind. Unser Glaube, so Pater Philipp, vermittelt sich nicht zuerst durch gelehrsame Ansprachen oder wissenschaftliche Publikationen, sondern, wie in der Apostelgeschichte und der biblischen Briefliteratur beschrieben, durch das persönliche Zeugnis von Menschen, die von Christus berührt und begeistert sind.

Früh in die Domsingschule

Zu dieser Entwicklung gehörte auch, dass Tobias bereits mit sieben Jahren in die Domsingschule Braunschweig eintrat. Der Gründer und damalige Leiter der Domsingschule, Domkantor Helmut Kruse, wurde für ihn und seinen musikalischen Weg zu einer prägenden Vaterfigur. Mit seinem Großvater besuchte er darüber hinaus Orgelkonzerte (mit anschließendem Besuch bei McDonald‘s) und der ihn ideell und finanziell in besonderer Weise musikalisch förderte.

Das große Engagement in der Domsingschule brachte es mit sich, dass Pater Philipp die Schule etwas schleifen zu lassen. Diese (aus heutiger Sicht falsche) Priorisierung hatte zur Folge, dass er das Gymnasium nach der zwölften Klasse abbrach und ohne Abitur beendete. Der Weg zum Kirchenmusikstudium musste doch auch anders möglich sein! Da half ihm die (freilich riskante) Möglichkeit, dieses über eine sog. Begabtenprüfung zu erreichen: Der Plan ging jedoch auf. Während des Studiums der evangelischen Kirchenmusik an der Evangelische Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg absolvierte er ein Praktikum an der Kölner Dommusik. Daraufhin wechselte Pater Philipp nach Köln, wo er ebenfalls die Begabtenprüfung bestand.

Der Wunsch, katholisch zu werden

Mittlerweile stand für ihn fest: Er wollte katholisch werden und bereitete sich 2003/2004 auf seine Firmung am 24. Oktober 2004 im Bonner Münster vor. Derweil bekam das Thema ‚Heiliger Geist‘ („Pfingsten: Raus aus der Sprachlosigkeit“) eine immer größere Bedeutung für Pater Philipp und verstärkte seinen Drang zur Glaubensvertiefung. Auch gab es bereits eine Beziehung zur Benediktinerabtei Maria Laach, wo er Kontakt zum Novizenmeister aufnahm. Freilich waren diese Schritte, bei aller bleibenden Liebe, für die Familie wenig nachvollziehbar.

Doch zunächst sollte er das Studium der katholischen Kirchenmusik in Köln mit dem sog. „A-Examen“ beenden, bevor er 2006 im Alter von 24 Jahren mit dem Noviziat in der Benediktinerabtei Maria Laach begann. Pater Philipp beschreibt dies mit leuchtenden Augen als eine „tolle Zeit“! Zunächst rückte die Kirchenmusik ganz in den Hintergrund und er widmete sich mit seinem ganzen Dasein dem klösterlichen Leben. Im Oktober 2011 legte er die feierliche Mönchsprofess ab und beendete 2013 sein Theologiestudium (Universität Salzburg und Rom). Zu seiner bewegten Biographie gehört auch, dass er sich 2013 verliebte. Soll er austreten? Die Diakon-Weihe wird verschoben, weil er keine Entscheidung in der Krise treffen will. Am Ende entscheidet er sich für den kirchlichen Weg und wurde 2015 vom Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki zum Priester geweiht, mit dem er seit seiner Kölner Studienzeit, damals war Woelki Weihbischof in Köln, verbunden war.

Eintritt ins Kloster

Im Kloster entwickelt es sich für Pater Philipp so bewegt wie bisher in seinem Leben: Abt Benedikt fördert seine Musikalität und so gründete er 2008 einen Kammerchor, die Cappella Lacensis und wurde nach dem Ende des Theologiestudiums verantwortlicher Kantor für die Abtei und künstlerischer Leiter der Abteikonzerte. Darüber hinaus dient er der Gemeinschaft als ‚Küchen-Chef‘, was in der Lock-Down-Zeit eine besondere Herausforderung bedeutete: Versorgung von 25 Mitbrüdern mit nur einer Küchenhilfe – aber Pater Philipp kocht gerne. Des Weiteren: Jugendseelsorge, Berufungspastoral, mediale Arbeit (social media, katholisch.de, YouTube mit rund 3000 Followern), Fundraising u.v.m. Kein Zweifel: in diesem Kloster mit seinen Rund 200 Angestellten gibt es neben dem geistlichen Leben jede Menge materielle und kommunikative Aspekte, die Probleme und Sorgen bereiten, sei es die Finanzierung der Abtei, des sog. ideellen Bereiches, die Entwicklung der Klosterbetriebe (GmbH), oder auch die innere und strukturelle Entwicklung des Klosters und seiner Mitglieder – seit 2014 kann sich die Gemeinschaft auf keinen Abt verständigen.

Auch zwei Bücher hat Pater Philipp mittlerweile geschrieben. Der Titel des ersten Buches „Gott macht unruhig“ kann bei seiner Vita nicht verwundern. Da scheint es fast wie ein Widerspruch, wenn Pater Philipp an diesem Abend sagt: „Mir ist dieser Ort, die stabilitas, das Dasein in Maria Laach ganz besonders wichtig!“. Oder gehört das vielleicht gerade zusammen: progressus und stabilitas? Befördert das eine das andere? Wenn man sich den bisherigen Lebensweg von Pater Philipp, auf dem Untiefen und Fragezeichen selbstverständlich auch dazugehören, anschaut, spricht vieles dafür: Er hat sich konsequent und unbeirrt weiterentwickelt und versucht, dem Grundsatz des heiligen Benedikt konsequent nachzugehen, der dem Mönch rät, immer weiter Gott zu suchen! Diese konsequente Suchbewegung macht ihn zu einem Pilger zwischen Welt und Zeit!

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