Kapitalismus und freie Marktwirtschaft

25.06.18 | Vortrag Prof. Dr. Martin Rhonheimer 

Aus Anlass des 200jährigen Geburtstages von Karl Marx hat in diesem Jahr die Kritik an Kapitalismus und Marktwirtschaft im politischen und gesellschaftlichen Umfeld viel Aufmerksamkeit und Zustimmung erhalten; demgegenüber verzeichnete das „Jubiläum 70 Jahre Soziale Marktwirtschaft“ weniger mediale und öffentliche  Aufmerksamkeit.

Dabei besagt die historische und auch die gegenwärtige Erfahrung, dass Wirtschaftsordnungen, die sich auf Karl Marx berufen haben oder weiter berufen, in den jeweiligen Ländern zu mehr Armut denn Wohlstand führen. Dies gilt sogar für diejenigen Volkswirtschaften, die über weltweit nachgefragte Rohstoffe verfügen. In Ländern aber, die sich der Marktwirtschaft öffneten, wurden die Armut verringert und mehr Wohlstand für viel mehr Menschen ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund ging Martin Rhonheimer, Gründungspräsident des „Austrian Institute of Economics and Social Philosophy“ in Wien und Professor für Ethik  und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom, bei einer Veranstaltung des Bundes Katholischer Unternehmer in Berlin am 25. Juni 2018 der Frage nach, warum (trotzdem) Kapitalismus und freie Marktwirtschaft immer wieder kritisiert und angefeindet werden“ - auch in sogenannten katholischen Kreisen bis hinein in die kirchliche Hierarchie.

Für Rhonheimer sind es vor allem fünf gesellschaftliche Erzählungen – sogenannte Narrative - auf denen die Kritik am Kapitalismus argumentativ und emotional basiert:

Als einflussreichstes Narrativ gilt die Erzählung, dass gesellschaftlicher Wohlstand nur durch staatliche Politik entstehen kann und entsteht. Dabei ist im Fall von Deutschland nicht die „politische“ Entscheidung Ludwig Erhards gemeint, hierzulande die Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung zu etablieren. Unter „Schaffung“ von Wohlstand wird vielmehr das direkte oder indirekte Eingreifen staatlicher Politik in den wirtschaftlichen Prozess verstanden. Dieser wird als ein Laissez-Faire-Prozess definiert, den man allerdings durch eine nationale Industriepolitik gestalten und steuern müsse - sei es bspw. durch Subventionen oder auch die Förderung von Unternehmenskonzentration und Kartellen.

Eine zweite Erzählung basiert auf der Betonung des Unterschiedes von Arm und Reich und der Behauptung, dass der Reichtum von Wenigen die Ursache für die Armut der Vielen ist. Das mag eine gewisse historische Berechtigung für das agrarwirtschaftliche-feudalistische Zeitalter bis etwa zum Ausgang des 18. Jahrhunderts gehabt haben, als bei wachsender Bevölkerung Land kaum vermehrbar und Subsistenzwirtschaft allgemein vorherrschend war. Erst im 19.Jahrhundert gelang es durch den technischen Fortschritt und die darauf aufbauende Möglichkeit einer industriellen Produktion, auf breiter Front Geld in Kapital zu wandeln und aufgrund von erheblichen Produktivitätssteigerung auch beim Faktor Arbeit steigende Löhne und einen Anstieg des allgemeinen Konsums und der Lebensqualität zu erreichen; und dies trotz eines großen Bevölkerungswachstums. Denn es gibt einen dem Kapitalismus und der Wettbewerbswirtschaft innewohnenden Mechanismus: Der Luxuskonsum weniger wird alsbald zum Massenkonsum. So wurde der Luxuskonsum früherer Generationen zum Massenkonsum der Gegenwart.

Das dritte Narrativ geht von der These aus, dass alle Güter der Welt für alle Menschen zur Verfügung stehen sollen. Diese These geht davon aus, so auch die Analyse von Karl Marx, dass das so definierte „Gemeinwohl“ durch die kapitalistische Wirtschaft im Kern verletzt wird. Denn das Wesen des industriellen Kapitalismus bestehe in der Ausbeutung der Arbeiter durch die Vorenthaltung des ihnen tatsächlich zustehenden Lohnanspruchs. Ausgeblendet wird in dem von Marxisten absolut gesetzten Gegensatz von „Kapital“ und „Arbeit“ die entscheidende „Arbeit des Kapitals“, also die Rolle des Unternehmers bei der Implementierung von technischem Fortschritt in Produktion und den Produkten sowie dessen Rolle in der realistischen Erkundung von Märkten und Absatzmöglichkeiten, von denen auch der „Marktwert“ von Arbeitsergebnisse und damit der tatsächliche „Lohnanspruch“ aller Mitarbeiter in einem Unternehmen abhängen.

Oft wird dieses marxistische Narrativ mit dem Beispiel des Heiligen Martin und seiner „Teilung des Mantels“ zugunsten des bedürftigen Mitarbeiters am Wegesrand verbunden; dies droht aber den Blick auf eine wesentliche Handlungsalternative zu versperren. Denn nicht das Denkmuster der „Teilung des Mantels“ ermöglicht eine erfolgversprechende Armutsbekämpfung, sondern die Gründung einer Mantelfabrik würde für eine nachhaltige Verbesserung der misslichen Zustände sorgen können. Almosen sind eben keine „Wirkmacht“ des Gemeinwohls.

Zu den aktuellen Narrativen, mit denen Kapitalismus und freie Marktwirtschaft heute verstärkt kritisiert und angefeindet werden, gehören die Rolle der Banken in der als Beispiel angeführten Finanzkrise von  2008 oder im aktuellen Aktien- und Immobilienboom aufgrund der weiterhin anhaltenden Zins-Situation mit einer sehr geringen oder auch gar keinen Kapitalverzinsung. Dabei sind beide Phänomene nur negative Auswirkungen von politischen Entscheidungen, die das Handeln von Menschen auf den jeweiligen Märkten oft in eine „moralische Versuchung“ (Moral Haard) geführt haben und weiterführen. Man kann dies auch eine „Rationalitätsfalle“ nennen, in der Individuen sich aufgrund staatlich geschaffener ökonomischer Fehlanreize im großen Rahmen gesehen verantwortungslos oder leichtsinnig verhalten. Die für die Fehlanreize eigentlich verantwortlichen Politiker weisen dann die „Schuld“ für negativ bewertete Folgen dem „Kapitalismus“ oder der „Marktwirtschaft“ zu.

Text: Werner Riek | Foto: Norman Gebauer

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