die kirchenkrise aus unternehmerperspektive lösen?

Bild: Auf einem Schreibtisch liegen eine geöffnete Bibel, ein Notizblock und ein Kugelschreiber neben einer Pflanze. (Quelle: Rachel Strong/Unsplash)

Die Zukunft der (katholischen) Kirche entscheidet sich vor Ort in den Gemeinden. Diese leiden aber immer mehr unter Priestermangel und der Ausdünnung kirchlicher Präsenz. Deshalb braucht es eine Konzentration der Kräfte – jetzt. Ein Aufruf zum konkreten Handeln vor Ort aus unternehmerischer Perspektive.

Wenn ich nicht Unternehmer, sondern Pfarrer wäre – was würde ich in der aktuellen Situation der katholischen Gemeinden tun? Oder: Können wir als BKU dem Pfarrer vor Ort Hilfestellung aus der Perspektive eines Unternehmers geben?

Als katholische Unternehmer sehen wir die Krise der Katholischen Kirche als Betroffene, um so mehr, wenn man durch Elternhaus, Ämter wie Messdiener oder bei den Georgs-Pfadfindern, der KJG, der Kirche von Kindestagen an verbunden ist. Die Erosion kirchlicher Fundamente und Organisation auf Grund von allgemeinen gesellschaftlichen Trends, aber auch auf Grund von Glaubwürdigkeitsverlusten lassen uns nicht unberührt.

Jammern hilft nicht

Sich in vermeintlich gute alte Zeiten zurückzuwünschen, hilft auch nicht. So schlecht ist die Situation von den Rahmenbedingungen her gar nicht. Aus Unternehmersicht kann man feststellen, dass die Nachfrage nach Antworten auf den Sinn des Lebens und spiritueller Anleitung hoch und ungebrochen ist, wie z.B. die vollen Säle der Freikirchen zeigen. Es gibt eigentlich „Kunden“ genug, die man für das Angebot der Katholischen Kirche begeistern könnte. Nur muss man dieses Angebot auch überzeugend darstellen können.

Wir haben uns daher gefragt, warum das nicht klappt. Unser Fokus dabei liegt auf der ersten Kontaktfläche zum „Kunden“, den Gemeindepfarrern. Den diözesanen „Overhead“ haben wir nicht angeschaut. Das wäre ein (zu) dickes Brett – uns geht es um Ansätze zur Stärkung der Präsenz vor Ort.

Der überfordernde Alltag

Was würden wir als Unternehmer tun, wenn wir an der Stelle eines Gemeindepfarrers wären? Er repräsentiert ja das Angebot der Katholischen Kirche vor Ort. Schaut man in dessen Alltag, ist die eindeutige Diagnose Überforderung: Der Gemeindepfarrer soll nicht nur der spirituelle Hirte einer Gemeinde sein, sondern muss auch mit immer weniger Personal zu viele und vielfältige administrative Aufgaben verantworten. Oder wie es ein leitender Pfarrer unverblümt ausdrückt: „Wir vergraulen gerade die Kundschaft und verheizen unser Personal.“ Auch die Strukturen vor Ort sind der Arbeit hinderlich, zu komplex und oft entnervend ineffektiv. Der Therapieansatz ergibt sich daraus fast selbstverständlich: Fokus auf die Kernaufgaben und Verstärker suchen („Leverage“).

„Ein Gemeindepfarrer kommt an Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden und mehr nicht vorbei – die seelsorgerische Tätigkeit ist dabei oft nur noch ein kleiner Teil.“

Analyse und Vorschläge haben wir in vielen Gesprächen mit Geistlichen diskutiert. Diese Gespräche sind hier eingeflossen. Im Übrigen haben sie den Eindruck verstärkt, dass hoher Handlungsdruck herrscht, weil Aufgaben und Bürokratie weiter zunehmen, die Ressourcen aber schwinden und diese Gemengelage den Pfarrer vor Ort als Letzt- und Alleinverantwortlichen zunehmend verbraucht.

Eigentliche Aufgabe als „Brücke zu Gott“ kommt zu kurz

Der Gemeindepfarrer ist per definitionem d e r „Chef“ der Gemeinde und als solcher allzuständig und allverantwortlich. Er ist letzter Entscheider bei „Nebenbetrieben“ wie Sozialstationen und Kindergärten, verantwortlich für Immobilien, sakrale Infrastruktur, Seelsorge und Sakramente von der Taufe bis zur Bahre. Er kann nicht nur Theologe sein, sondern muss in eigenem Interesse zumindest in Grundzügen rechtliche Belange wie Arbeitsrecht, Datenschutz und Steuerrecht verstehen und sollte auch die Bilanz einer Sozialstation lesen können. Mit Priestermangel und schwindenden sonstigen Ressourcen werden die Pfarreien oder Seelsorgeeinheiten immer größer, die administrative Belastung wächst entsprechend, die Ausstattung dagegen schrumpft.

So kommt ein Gemeindepfarrer an Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden und mehr nicht vorbei – die seelsorgerische Tätigkeit ist dabei oft nur noch ein kleiner Teil. Seelsorge oder Brücke zu Gott sind jedoch der eigentliche Daseinszweck und das Besondere („Unique Selling Point“), das den Unterschied der Kirche zu einem Wohlfahrtsbetrieb ausmacht.

„Wenn ich Pfarrer wäre …“

Was würde ein Unternehmer in dieser Situation machen, wenn er realisiert, dass durch Arbeitsüberlastung die wettbewerbsentscheidenden Funktionen nicht mehr substanziell wahrgenommen werden können?
• Er würde Aufgaben- und Ressourceneinsatz analysieren und dann priorisieren: Kernaufgaben stärken, B- und C-Themen abschneiden.
• Wäre er mit seinem Betrieb Teil einer größeren Organisation, würde er Maßnahmen auf „Konzernebene“ und Maßnahmen, die er in seiner „Tochtergesellschaft“ eigen verantwortlich umsetzen kann, unterscheiden,
• und nicht auf den Konzern warten, sondern in den eigenen Spielräumen sofort machen.

Was aber kann man vor Ort tun?

Den Alltag entrümpeln

Beginnen würden wir als Gemeindepfarrer mit einer Bestandsaufnahme des Zeiteinsatzes und der Bewertung der treibenden Aufgaben. Bei weitem nicht jede Aufgabe ist gemessen an dem Auftrag der Kirche gleich wichtig. Zudem fehlt für manche in der „Stellenbeschreibung“ des Pfarrers enthaltene Aufgabe (ausbildungs- oder profil-bedingt) dessen Kompetenz. Insbesondere wirtschaftliche und damit einhergehende administrative Aufgaben sind – jedenfalls unserer Ansicht nach – beim Gemeindepfarrer grundsätzlich falsch zugeordnet. Das macht ihre Erledigung ineffizient und wenig effektiv.

„In der Wirtschaft gibt es die Aufgabenteilung zwischen CEO und COO. Diese Aufgabenteilung ist, jedenfalls in größeren Gemeinden mit ihrer Vielzahl von administrativen Themen, eigentlich zwingend.“

Nimmt man an, gestützt auf Gespräche und Erfahrungen des Gemeindelebens, dass hierauf ein Drittel bis die Hälfte des Zeiteinsatzes entfällt, scheint die knappe Ressource schlecht eingesetzt: Wenn Seelsorge das Kernthema des Gemeindepfarrers ist – was ja auch wohl die päpstliche Hervorhebung des Pfarrers von Ars unterstreicht – muss er auch die Zeit dafür haben. Es gibt aber immer weniger Priester. Deren Vergeudung für Themen, für die sie weder ausgebildet noch besonders motiviert sind (sonst hätten sie Wirtschaft oder Jura, nicht Theologie gewählt) ist kontraproduktiv.

Hier braucht es nun doch einmal aktive Unterstützung von der Konzern- oder Diözesanebene: In der Wirtschaft gibt es die Aufgabenteilung zwischen CEO und COO. Der CEO ist für Strategie, Personal und die große Linie zuständig, der COO für das operative Geschäft und die Administration. Diese Aufgabenteilung ist, jedenfalls in größeren Gemeinden mit ihrer Vielzahl von administrativen Themen, eigentlich zwingend, will man hier Seelsorge noch substanziell anbieten.

Größere Gemeinden brauchen kirchliche COOs

Zumindest in größeren Gemeindeeinheiten sollte es also einen Administrator geben, der für wirtschaftliche und organisatorische Aufgaben zuständig ist. Für diesen „COO“ muss dann allerdings auch ein entsprechendes Budget da sein (äquivalent A12, A13?). Die Aufgabe als Chefadministrator ist anspruchsvoll und vielfältig. Qualifizierte Leute sind nicht günstig zu haben. Unterqualifizierte Personen sind zwar billiger, erfüllen aber die Stellenbeschreibung nicht. Sie nehmen Arbeit nicht entsprechend ab, sondern machen sie.

Bild: Ein Mann geht mit einer Bibel und einer Ledertasche über eine Landstraße. (Quelle: Ben White/Unsplash)

Hier sei angemerkt, dass überbordende Bürokratie heute eine Geißel der Gesellschaft ist, auch der Katholischen Kirche: Den Handlungsspielraum vor Ort durch mehr und mehr Direktiven einzugrenzen, bedeutet, dass am Ende für das eigentliche Geschäft, die Führung und Anleitung einer Gemeinde, kaum noch produktive Zeit bleibt.

Zurück zur Ebene der „Tochtergesellschaft“, der Pfarrei. Was kann der Pfarrer sofort und selbstverantwortet tun? Reflektiert er Aufgabenkatalog und Zuständigkeiten, sollte er als erstes selbstbewusst akzeptieren, dass er nicht alles für alle sein kann: Wenn er nicht eigene Ziele und Prioritäten setzt, machen das andere für ihn.

Ohne klare Zielvorstellung geht’s nicht

Als Unternehmer setzten wir uns Ziele, zunächst strategischer Art: Wo soll das Unternehmen in 5 Jahren sein? Daraus leiten sich Jahresziele ab, deren Erreichungsgrad wir dann unterjährig verfolgen. Bei Planabweichungen wird gegengesteuert.

„Knappe Kräfte dort sinnvoller einsetzen, wo man im Sinne des kirchlichen Auftrags einen Unterschied machen kann.“

Ein solches Vorgehen sollte auch dem Gemeindepfarrer helfen: Anliegen wie Spiritualität, aktives Gemeindeleben, Gewinnung von Mitstreitern oder eigene Weiterentwicklung bieten sich für Zielsetzung (und dann auch zwingend entsprechende Zeitallokation) an. Nimmt man Priorisierung ernst, heißt das auch, andere Themen nicht oder nur am Rande zu verfolgen. Das erfordert den Mut zur Lücke und offenen Kommunikation:
„Learn to say no!“

Ohne Nein-Sagen geht’s auch nicht

Mit Blick auf die eigene Belastungsgrenze sollte man sich nicht zu 100% verplanen: Pausen und Zeit zum Nachdenken helfen, die Richtung zu halten und sich immer wieder auf das zu fokussieren, was wirklich wichtig ist.
Dazu gehört auch der Mut zum „Stop-Loss“, also zur Verlustvermeidung: Mitunter zeigt sich frühzeitig, dass dieses Projekt oder jene Initiative nicht den Erfolg oder Zuspruch findet, den man anfangs erwartet hat. Dann sollte man das Thema beenden und knappe Kräfte dort sinnvoller einsetzen, wo man im Sinne des kirchlichen Auftrags einen Unterschied machen kann.

Netzwerk(en) schafft Verbindung und Hilfe

Selbstmanagement ist der Start. Hilfe für die Aufgabenbewältigung zu suchen, wo eigene Kompetenz (oder Kapazität) an ihre Grenzen kommt, das andere. Als Unternehmer hat man interne Ressourcen und ein professionelles Netzwerk auch im Umfeld. Ein solches Netzwerk schlummert aber auch in jeder Gemeinde. Auch dort gibt es Fachleute wie Steuerberater, Rechtsanwälte, Architekten oder Handwerker, die sich für einen Gefallen für die Kirche nicht zu schade sind und sich vielleicht sogar freuen, wenn sie mal gefragt werden. Bei der Identifikation und Ansprache sollte man sich nicht auf den harten Kern der sonntäglichen Kirchgänger beschränken.

„Vielleicht findet man auf diesem Wege sogar einen Mentor“

Noch immer gibt es viele Sympathisanten im Weichbild einer Gemeinde, die auf Ansprache reagieren und helfen würden. Man muss es halt ausprobieren und aushalten, wenn nicht jeder Kontaktversuch gleich zum gewünschten Ergebnis führt. Geht man das jedoch ernsthaft an, wird man bald ein „Telefonbuch“ haben, das Hilfen in vielen Problemlagen öffnet. Am Rande: Jedenfalls in größeren Gemeinden findet sich wohl auch ein BKUler, der bei dem einen oder anderen Thema unterstützen kann und will.

Keine Zeit? Doch!

Vielleicht findet man auf diesem Wege sogar einen Mentor, mit dem man sich immer mal wieder austauschen kann: Viele Unternehmen bieten Führungskräften Coaching an, um deren Entwicklung zu fördern. Oft haben Führungskräfte oder Unternehmer auch Mentoren, mit denen sie sich in einem streng vertraulichen Rahmen austauschen. Sie bieten Feedback nicht nur zu fachlichen, sondern insbesondere auch Rat in persönlichen Dingen.

Zusammengefasst: Blickt man auf die Tätigkeit eines Gemeindepfarrers, kommt einem das alte Bild in den Sinn: Ein Mann holt Holz für den Winter aus dem Wald. Er sägt und hackt, bis ihm der Schweiß den Nacken herunterläuft. Ein Wanderer kommt vorbei und fragt, warum schärfst Du die Säge nicht? Die Antwort: Keine Zeit, keine Zeit. So soll es nicht sein.

Dieser Artikel soll ein erster Diskussionsanstoß sein. Wir freuen uns auf Feedback und Diskussion.

Dr. Bernhard Schirmers
BKU DG Stuttgart – „Hegne Runde: BKU/Pfarrer“

Aktuelles

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Welche Erwartungen hat die junge Generation an die Arbeitswelt? Im 8. BKU-Abendgespräch beleuchtete Paul von Preußen den Wandel der Arbeitswelt und wie Werte wie Flexibilität, Verantwortung und finanzielle Sicherheit die Ansprüche der jungen Generation prägen. Er hob hervor, dass der Generationendialog entscheidend ist, um Vorurteile abzubauen und neue Wege der Zusammenarbeit zu schaffen.

// Neue Leiterin des BKU-Arbeitskreises Digitalpolitik erhält Marktforschungs-Preis

Katharina Schüller, CEO von STAT-UP, wurde mit dem renommierten planung&analyse Sonderpreis ausgezeichnet. Als neue Vorsitzende des BKU-Arbeitskreises Digitalpolitik bringt sie ihre Expertise in KI, Datenökonomie und Statistik ein, um die digitale Zukunft werteorientiert zu gestalten.

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