
Die Diözesangruppe Bonn des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) lud am
3. September 2025 zu einem Kaminabend mit Pfarrer Dr. Andreas Frick, Hauptgeschäftsführer der Bischöflichen Aktion Misereor. Gastgeber war der Vorsitzende der Bonner BKU-Gruppe, Dr. Rüdiger von Stengel, gemeinsam mit seiner Frau Natalie, die die zahlreich erschienenen Gäste herzlich willkommen hießen.
Neue Rahmenbedingungen für die Entwicklungszusammenarbeit
In seiner Einführung machte Dr. Frick deutlich, dass die kirchliche Entwicklungs-zusammenarbeit heute unter doppeltem Druck steht: geopolitische Spannungen, wachsender Autoritarismus und die Einschränkung zivilgesellschaftlicher Räume auf der einen Seite, die Notwendigkeit einer strategischen Neuausrichtung staatlicher Förderinstrumente auf der anderen. Zugleich, so Frick, bleibe Misereor dem unveränderbaren Auftrag verpflichtet: „Es gibt einen Hunger in der Welt, wo das Verhungern menschengemacht ist und wo Menschen, die bereits abgehängt sind, noch weiter abgehängt werden. Für die Rechte dieser Menschen setzt sich die Kirche und in ihr Misereor ganz besonders ein.“
Priesterliche Erfahrung und Weltkirchengeist
Pfr. Dr. Frick bringt für diese Aufgabe eine breite kirchliche Erfahrung mit: Nach seinem Theologiestudium in Frankfurt und Rom wurde er 1989 in Rom von Kardinal Joseph Ratzinger zum Priester geweiht. Bereits in dieser Zeit atmete er, wie er selbst betont, „den Geist der Weltkirche“ – eine Haltung, die er durch zahlreiche private Reisen weiter vertiefte. Seine priesterlichen Stationen führten ihn vom Kaplanat über die Leitung von Pfarreien in Aachen bis hin zum Amt als Generalvikar des Bistums Aachen (2015–2023). All diese Erfahrungen prägen heute seine Sicht auf die globale Verantwortung der Kirche und sind vielleicht seine persönliche Qualifikation für die Aufgabe als Hauptgeschäftsführer von Misereor, die er seit dem 1. Juli 2024 innehat.
„Gemeinsam – global – gerecht“
Pfr. Dr. Frick berichtete von seiner kürzlich erfolgten 16-tägigen Reise nach Ruanda, Burundi und Tansania im Rahmen eines Treffens der afrikanischen Bischofskonferenz. Die Begegnungen mit Menschen vor Ort und der Austausch mit den Bischöfen gaben ihm tiefe Einblicke in die Lebenswirklichkeit vieler Menschen im globalen Süden und die Notwendigkeit der Arbeit von Misereor: „Wir sind als sichtbares Volk Gottes Teil einer weltweiten Gerechtigkeitsbewegung, wie es das Leitbild von Misereor spiegelt: gemeinsam – global – gerecht.“
Dies zeigt sich auch in den Schwerpunkten der Arbeit Misereors für die Projektarbeit, Anwaltschaft und Bildungsarbeit:
- Ernährung sichern
- Klimagerechtigkeit schaffen
- Menschenrechte und Frieden schützen
- Soziale und ökologische Transformation fördern
- Weltwirtschaft nachhaltig gestalten
Der biblische Missionsauftrag als Fundament
Pfr. Dr. Frick verortete diese Aufgaben ausdrücklich im biblischen Missionsauftrag der Kirche: die Frohe Botschaft zu verkünden und in der Welt konkret werden zu lassen. Dieser Auftrag umfasst mehr als die Verkündigung des Glaubens, er bedeutet das konkrete Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Misereor versteht sich daher nicht als eine Hilfsorganisation mit zufälliger Trägerschaft der Kirche, sondern als Ausdruck kirchlicher, konkret werdender Sendung in der Welt.
Unternehmen als Akteure im Kontext von
Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Oft werden weltweit agierende Konzerne pauschal als „Verursacher“ zahlreicher Missstände gesehen. Gerade Unternehmen können jedoch auch zu wichtigen Akteuren im Transformationsprozess werden. Unternehmerinnen und Unternehmer im BKU können sich mit den Themen sachkundig befassen, selbst wenn nicht alle für uns angenehm sind, wie z.B. das Lieferkettengesetz: Ein Thema, das vielen Mittelständlern Sorgen bereitet, das aber darauf hinweist, dass Kinderarbeit, Umweltzerstörung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen weltweit noch eine aus humanitärer, und ganz besonders aus christlicher Sicht nicht hinnehmbare Realität sind. „Wir leben über unsere Verhältnisse, aber wir leben auch über die Verhältnisse von großen Teilen der Menschheit, denen wir Verzicht zumuten.“
Geistliche Tiefenschärfe und klare Haltung
Die Haltung Misereors, die sich auf den biblischen Auftrag „mich erbarmt“ (lat.: „misereor“) stützt, verbindet Frick mit einem weiten Blick auf globale Entwicklungen. Wenn auch die Komplexität und die Verbindung der Einzelthemen beängstigend scheinen, so schöpfe er Mut aus einem Alexander von Humboldt zugeschriebenen Wort: „Mich ängstigt nur die Weltanschauung von Menschen, die die Welt nicht angeschaut haben.“ Misereor und seine kirchlichen Partner gleichen dabei einem „neuronalen Netzwerk“, das den Blick schärft und Partner unterschiedlichster Strukturen, aber mit demselben positiven Menschenbild und der gemeinsamen Anerkennung der Verletzlichkeit unseres Planeten, vernetzt.
Zu den geistlichen Wegweisern für Misereor zählte er neben Kardinal Frings und den Gründungsvätern in einem durch Not geprägten Nachkriegsdeutschland auch Papst Franziskus, den er als „prophetischen Türöffner“ und in der Orchestrierung der weltweiten Zusammenarbeit sogar als „Mozart der Entwicklungszusammenarbeit“ bezeichnete. Auch Papst Leo XIV würdigte er in seiner besonderen Rolle als Brückenbauer und Anwalt für Gerechtigkeit und Frieden: „Als US-Amerikaner versteht er die Sprache und das Denken seiner Heimatkirche. Er war Missionar, Generaloberer einer Ordensgemeinschaft und Bischof in einer sehr armen Diözese in einem Entwicklungsland. Er macht z. B. auf dem Rücken eines Pferdes eine ausgesprochen gute Figur – nicht aus ästhetischen Gründen, sondern weil er nur so die Menschen seiner Gemeinden erreichen konnte.“
Ein Abend zum Weiterdenken
Das Gespräch im kleinen Kreis von Teilnehmenden aus Unternehmerschaft, Freundeskreis und Entwicklungszusammenarbeit war geprägt von intensiven Fragen und lebhaftem Austausch. Nicht auf alle Fragen gebe es bereits befriedigende Antworten. Aber als Unternehmer seien die Mitglieder des BKU in besonderer Weise aufgefordert, an deren Lösung mitzuwirken. Frick schloss mit einem Gedanken, der die Gäste nachdenklich stimmte: „Ich glaube auch, dass solche Abende, an denen wir uns bewusst einer konstruktiven Hilflosigkeit aussetzen, der Anfang sind für das Entstehen konstruktiver Lösungen.“
Damit machte der neue Hauptgeschäftsführer von Misereor deutlich, dass die Herausforderungen zwar groß sind, die Chancen aber ebenso präsent– und dass christliche Unternehmerinnen und Unternehmer des BKU wie auch die Kirche gemeinsam Verantwortung tragen, globale Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung zu fördern.
Hans-Jürgen Dörrich, Bonn
Fotos: Lioba Müller/Hans-Jürgen Dörrich