Maßstab Mensch -  Meinungen und Perspektiven

Blogbeitrag

Die neue Heimarbeit: Tele-Arbeit und Home-Office. Nichts Neues oder doch (fast) alles anders.

Diese drei Formen von Arbeit werden in unserer Alltagssprache als Synonym verwandt, wobei die englische Version zur populärsten geworden ist.

Es geht um Formen von Arbeit, die nicht in den Räumen des jeweiligen Arbeit- oder Auftragsgebers geleistet werden, sondern anderswo und außerhalb - am häufigsten in der Wohnung des Auftrag- oder Arbeitnehmers.

Seit gut einem Jahr ist für solche Verlagerungen von Arbeit - vor allem infolge der Covid - Pandemie - die Bezeichnung Home-Office in den deutschen Sprachgebrauch eingedrungen, weil eine wachsende Zahl von Arbeitnehmern – insbesondere wegen der Ansteckungsgefahr
– ihren Arbeitsplatz nachhause verlegt haben bzw. dazu veranlasst worden sind.

Heimarbeit gesetzlich verankert seit 1912

Wenig bekannt ist, dass bereits vor dem ersten Weltkrieg - im Jahre 1912 - der Reichstag ein Heimarbeitsgesetz verabschiedet hat. Es wurde zwischen den Kriegen novelliert. Kurz nach dem 2. Weltkrieg kam bereits 1951 aus dem deutschen Bundestag ein gleichnamiges Gesetz. Es gab demnach über viele Jahrzehnte das Bedürfnis und den politischen Willen, den arbeitnehmerähnlichen Personenkreis, der in selbstgewählten Arbeitsstätten – meist in der eigenen Wohnung - seine Leistung erbrachte, sozialen Schutz zu verschaffen wie zu Kündigung, Mutterschaft oder Arbeitssicherheit. Außerdem ging und geht es um
Absicherung gegen Krankheit, Insolvenz, Überforderung oder Festlegung von Mindestlöhnen oder Stundenentgelten.

Grund für solchen Schutz der „Heimarbeiter“ war der Wandel bei den gewerblichen Tätigkeiten, bei dem verschiedene Prozesse immer enger zusammenrückten, z.B. handwerkliche Fertigung, auch Manufaktur genannt – mit kommerzieller Umsetzung der Produkte. Vor 150 Jahren gab ein cleverer Händler einem Tuchmacher auf der Schwäbischen Alb, meinem Großvater, Aufträge zur Herstellung von Stoffen für Arbeitskleidung auf seinen heimischen Webstuhl. Er stellte ihm dafür – als Verleger – den Rohstoff, die Baumwolle, zur Verfügung, nahm ihm die Tuche, meist Köper genannt, ab und verkaufte sie auf eigenes Risiko.
Bei dieser „Arbeitsteilung“ kam der „Heimarbeiter“ in eine stark abhängige Rolle vom Auftraggeber und konnte meist nur bescheidene Einkünfte erzielen, denn Wettbewerb gab es kaum. In ländlichen Gegenden war Heimarbeit durch Nähen, Sticken oder Stricken oder auch Zigarren wickeln, besonders für Kleinbauern, eine Möglichkeit zu einem Nebenerwerb – und das vor allem in der kalten Jahreszeit.

Bei derartigen Aufträgen wurde oft die ganze Familie gefordert.
Bemerkenswert ist, dass 1904 der erste Heimarbeit Schutz-Kongress durchgeführt wurde. Der bekannte Ökonom und Kapitalismuskritiker Werner Sombart forderte damals die Gleichbehandlung von Heimarbeit und Industriearbeit, denn Heimarbeit galt als wenig qualifiziert, vor allem als Handarbeit – und das insbesondere für „arme, aber fleißige Leute.“ In der industriellen Fortentwicklung wurde Heimarbeit dann aber zu einem Vorläufer der industrielle Fließbandfertigung, die zunächst ein höheres soziales Standing bekam und auch bessere Einkünfte ermöglichte.

Eine neue Zeitrechnung

Durch die rasante Entwicklung in der Telekommunikation hat Tele-Arbeit (französisch tele- travail) enorm zugenommen. Die Corona Pandemie hat ihr einen richtigen Stoß versetzt, denn die neue, totale digitale Information und Kommunikation übertrifft schon vorher alle bisherigen traditionellen Formen von Heimarbeit.

Nicht ohne Grund hat die FAZ von einer „neuen Zeitrechnung“ geschrieben, denn das gerade verabschiedete Infektionsschutzgesetz enthält die Verpflichtung für Arbeitnehmer – soweit wie möglich – den im Unternehmen bestehenden Arbeitsplatz zu verlassen und im Home- Office zu arbeiten. Allerdings muss der Arbeitgeber die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen schaffen. Manche Arbeitgeber entscheiden sehr konkret und direkt, wieviel Tage die Arbeitnehmer jeweils zuhause oder im Betrieb verbringen müssen.
Erstaunlich ist, dass die sonst üblichen „unabdingbaren Vorgaben für eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung“ bei dieser Verlagerung auf Zuhause keine Rolle spielen und keine Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorschriften vorgesehen sind. Der Widerstand gegen diese neue Form hält sich derzeit in Grenzen – sicher vor allem als Schutz gegen die Pandemie.

Der funktionierende Mensch oder Maßstab Mensch?

Legt man den „Maßstab Mensch“ an diese neuen Formen der Arbeit, dann entsteht ein völlig neues Verständnis von menschlicher Arbeit. Sie wird ohnehin durch die totale Beherrschung über die digitale Information und Kommunikation bewirkt. Neben den mehr technisch- organisatorischen Auswirkungen kommt der arbeitende Mensch in eine veränderte Rolle. Er ist allzeit erreichbar. Arbeitszeit und Freizeit werden nicht mehr eindeutig abgegrenzt.

Dialoge, Gestik und Mimik gehen in den digitalen Formen der Konferenzen und Besprechungen weitgehend verloren. Der Dialog wird zur Subjekt Objekt-Beziehung. Der Mensch fungiert fast wie eine Maschine. Sie spielt den Input der Teilnehmer konsequent und schonungslos ab – ohne dass Dialog oder Gefühle oder das Gespür zur Geltung kommen.

Wie werden die arbeitenden Menschen damit fertig, ohne sich als Person zu verleugnen oder zu verstecken? Zum einen: Indem sie sich davon nicht völlig beherrschen lassen, sondern sich selbst Regeln geben, wie Zurückhaltung vor der Totalität der Informationswelt, indem sie Askese im Umgang mit der digitalen Kulisse üben oder Auszeit einplanen und geistig und körperlich differenzieren. Zum anderen sollte jeder eine sittliche Haltung anstreben, bei der vergessene Tugenden revitalisiert werden, dass er nicht zum Apparat Schick wird, sondern Mensch und Person bleibt - in der Hoffnung und Erwartung, dass nach Überwindung der Pandemie wieder vermehrt Vorgänge und Abläufe im Dialog und in personalen Begegnungen stattfinden können.

Autor: Dr. Franz Schoser

Maßstab Mensch -
Das Buch

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Maßstab Mensch  - 
Die Workshops

Zu den Inhalten seines Buches bietet  Dr. Hans Günter Ullrich eine Workshopreihe mit zwölf Online-Konferenzen an. Die Workshops werden aufgezeichnet und stehen als Videoinhalte zur Verfügung. Mit unterschiedlichen Gesprächspartnern setzt er sich zu den verschiedenen Themen auseinander .

Maßstab Mensch -
Die Interviews

In fünf Videos stellt der Geistliche Berater des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), Dr. Hans Günther Ullrich, die Grundthesen seines Buches Maßstab Mensch vor.

Maßstab Mensch -
Meinungen und Perspektiven

Unter diesem Link finden Sie Blogbeiträge verschiedener Autoren zu den Themen, die sich mit Konsequenzen zum Anspruch 'Maßstab Mensch' auseinandersetzen.

Maßstab Mensch -
Termine

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