„Ich würde nicht über Steuererhöhungen gehen“

Im Interview mit dem BKU Journal spricht Prof. Lars P. Feld über die Folgen der Pandemie für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Er sieht die deutsche Wirtschaft gut aufgestellt für die Zeit nach der Pandemie.

Prof.  Dr.  Dr.  h. c.  Lars P. Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Direktor des dortigen Walter Eucken Institutes. Zwischen 2011 und 2021 war er Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen, von März 2020 bis Februar 2021 dessen Vorsitzender. Foto: Eucken-Institut

Herr Prof. Feld, welchen wirtschaftlichen Schaden erwarten Sie von der Pandemie?

Feld: Ich bin relativ zurückhaltend mit Vorhersagen, denn wir sehen, dass sich so mancher Horror nicht eingestellt hat. Schauen Sie sich mal das föderale Gefüge an. Da hieß es die ganze Zeit: „Die Kommunen werden ihre Investitionen streichen, denen geht es jetzt verdammt schlecht.“ Jetzt haben wir den Abschluss der Kommunen vom vergangenen Jahr gesehen, sie haben höhere Einnahmen erzielt – als einzige gebietskörperschaftliche Ebene. Genauso spekulieren wir die ganze Zeit über Insolvenzwellen. Stattdessen zeigen die Zahlen, wenig verwunderlich bei den Rahmenbedingungen, dass im vergangenen Jahr die Insolvenzen so niedrig waren wie noch nie.

Dann sind Sie auch zurückhaltend, was eine Prognose angeht, wann sich die Wirtschaft von den Schäden durch die Pandemie erholt haben wird?

Feld: Das geht einfacher. Wie wir im vergangenen Jahr gesehen haben, folgte auf den scharfen Einbruch im zweiten Quartal ein scharfer Anstieg im dritten Quartal 2020. Der Sachverständigenrat hatte ein solches kräftiges „V“ bereits im Frühjahr in Szenarienrechnungen erwartet. Im weiteren Pandemieverlauf wurde, auch durch Fehler beim Umgang mit der zweiten Infektionswelle, diese Entwicklung unterbrochen. Dadurch ist der weitere Verlauf des „V“ steiniger. Das haben wir im Herbst im Jahresgutachten des Sachverständigenrates so erwartet. Wir sehen im Moment nicht, dass es einen scharfen zweiten Einbruch geben würde. Das heißt also: Wenn es uns gelingt, bis zum Sommer einigermaßen Normalität herzustellen, dann können wir im Jahr 2022 auf das Ausgangsniveau des Bruttoinlandsproduktes von 2019 zurückkommen. Etwas später werden wir die Produktionslücke auch wieder aufgeholt haben.

Und wie steht es um die Staatsverschuldung?

Feld: Sie ist auf 70 Prozent im Jahr 2020 gestiegen, ist also weit weg von dem, was wir in der Finanzkrise erlebt haben. Das heißt schon, dass wir in den kommenden Jahren finanzpolitisch mit ruhiger Hand konsolidieren können. Wo die Grenze der Staatsverschuldung liegt, kann man dabei nicht genau sagen. Aber es gibt sie. Sie hängt sehr stark davon ab, wie hoch das Wirtschaftswachstum und die Refinanzierungskosten des Staates sind, Inflation spielt dabei eine Rolle ebenso wie Erwartungen an den Finanzmärkten. Deshalb tut man gut daran, wieder zu konsolidieren, wenn es besser läuft, und die Schuldenquote zurückzuführen. Denn man will ja zur nächsten Krise wieder in der Lage sein, ordentlich dagegenhalten zu können.

Steuern und Abgaben

Spielt die Vermögensteuer eine wichtige Rolle bei der Konsoli- dierung der Staatsschulden? Wären eine CO2-Abgabe oder eine Digitalsteuer geeignetere Instrumente?

Feld: Die Vermögensteuer bringt nicht viel. Wenn man konsolidieren will, muss man das mit anderen Steuern machen, nicht mit der Vermögensteuer. Sie ist für die Konsolidierung zu unbedeutend. Das Aufkommen dürfte kaum über dem liegen, was mit der Grunderwerbsteuer eingenommen wird. Diese Steuer steht laut Grundgesetz den Ländern zu. Der Bund kann damit also gar nichts konsolidieren. Eine Digitalsteuer hat das Potenzial handelspolitischer Konflikte mit den USA. Die CO2-Bepreisung sollte meines Erachtens deutlich nach oben getrieben werden. Aber dadurch werden Niedrigeinkommen besonders stark belastet, denn die Unternehmen können einen Teil der Kosten auf die Konsumenten umlegen. Deshalb muss man für eine Kompensation sorgen, sodass dadurch kein allzu großer Konsolidierungseffekt eintreten wird. Man setzt allerdings erhebliche Anreize, um den Klimawandel einzugrenzen. Die Wirtschaft steuert dann um auf CO2-sparsame Technologien.

Welche Steuer würden Sie denn überhaupt erhöhen?

Feld: Ich würde gar keine Steuer erhöhen. Das Einzige, worüber man meines Erachtens nach reden kann, ist der Solidaritätszuschlag, wenn die Karlsruher Richter den verbleibenden Teil kassieren. Der Soli ist zum größten Teil gestrichen, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das Überbleibsel verfassungsgemäß ist. Das sind 10 Milliarden Euro pro Jahr, die der Bund irgendwie ersetzen muss. Das wird er kaum schaffen. Daher muss man die Frage diskutieren, ob wir bei einer Streichung des Solidaritätszuschlages die Belastung, die wir in den oberen Einkommensklassen derzeit mit dem Soli haben, durch eine Änderung des Einkommensteuertarifes erhalten sollen. Davon haben auch die Länder etwas. Dann ebbt von Länderseite die Diskussion um die Vermögensteuer ab.

Wer zahlt für Die Corona-Pandemie?

Es kam gerade Ende 2020 der Eindruck auf, dass sich Bund und Länder vor allem darum streiten, wer die Kosten für die Coronapandemie bezahlen muss. Man hat sich um die Verteilung von Geld gestritten, anstatt zum Beispiel eine Impfstrategie zu entwickeln.

Feld: Das ist typisch. Den Ländern geht es einfach darum, aus dieser Krise möglichst gut herauszukommen. Das will ja im Prinzip jeder, das will der Bund auch, obwohl er am kürzeren Ende sitzt und die Länder mehr Möglichkeiten haben, Druck zu machen. Das ist so eine typische Bund-Länder-Geschichte, wie man sie regelmäßig sieht und dabei keine große Freude hat. Durch die Finanzausgleichsreform, die seit dem Jahr 2020 in Kraft ist, haben die Länder bei der Umsatzsteuer einen größe- ren Anteil bekommen als früher und insgesamt einen höheren Anteil an den Gemeinschaftssteuern.

Wäre es nicht eine Chance für größere Organisationen, sich mehr einzubringen, etwa für die WTO? „America first“ gibt es ja jetzt nicht mehr, werden multilaterale Verhandlungen deshalb nicht wieder wichtiger?

Feld: Einerseits ja, denn multilaterale Lösungen sind mit der neuen amerikanischen Administration leichter machbar. Insbesondere haben wir mehr Hoffnung im Hinblick auf den Klimaschutz, indem man mit den Amerikanern einen Klimaclub bildet, der dann attraktiv genug ist für andere, sodass möglichst weltweite Lösungen für die CO2-Reduktion zustande kommen. Das „Nein“ bezieht sich darauf: „America first“ ist nicht vorüber. Die Amerikaner unter Biden führen „America first“ knallhart fort. Wer hat denn einen Ausfuhrstopp von Impfstoffen? Die USA. Sie lassen aber im Import relativ viele Impfstoffe aus Europa rein. Die Demokraten verhalten sich dahingehend nicht freundlicher gegenüber dem Rest der Welt als die Republikaner.

Der Konflikt mit China

Abgesehen von Corona – welche Probleme im Multilateralismus werden uns in Zukunft beschäftigen?

Feld: Der Konflikt zwischen dem Westen und China. Europa muss sich dabei an die Seite der Vereinigten Staaten stellen. China ist stark expansiv unterwegs. Und wenn China es wagen sollte, Taiwan anzugreifen, wird ein bewaffneter Konflikt wohl nicht zu vermeiden sein. China fühlt sich natürlich in seinem Umgang mit Corona gestärkt und dem Westen überlegen. Vom technologischen Niveau her ist China aber noch weit von den USA oder von uns entfernt.

Was wird sich im Wirtschaftssystem ändern nach der Pandemie?

Feld: Natürlich wird es Insolvenzen und im stationären Einzelhandel Geschäftsaufgaben geben. Es wird Veränderungen wie durch jede Krise geben, das ist eine Binsenweisheit. Aber dass sich unser Wirtschaftssystem grundsätzlich ändern müsste, oder dass wir einen nachhaltigen Konsumverzicht üben werden, das sehe ich nicht. Im Gegenteil: Die Leute sind jetzt im Konsum restringiert und werden umso lieber konsumieren, wenn sie es wieder frei können.

Die Wirtschaft wird die Krise also wegstecken können. Wie sieht es in der Verwaltung aus?

Feld: Wo die Coronakrise wie ein Beschleuniger wirkt, ist im Bereich der Digitalisierung. Da haben wir die offensichtlichen Defizite entlarvt, auf die wir im Sachverständigenrat schon vor drei, vier Jahren hingewiesen haben. Und wir waren nicht einmal die Ersten. Wenn Deutschland bei der Digitalisierung zurück ist, dann ist das vor allem im Bereich der öffentlichen Hand, im Gesundheitswesen, der Bildung. Da muss endlich etwas passieren. Das hat auch nur zum Teil mit Hardware, Software und Infrastruktur zu tun. Zum erheblichen Teil muss man Prozesse umstrukturieren, und die Bereitschaft dazu ist im öffentlichen Dienst nicht ausgeprägt.

Das Interview führte Wolfgang Maas.

In dem BKU Journal 01/2021 ging es um das Schwerpunktthema "In Krisen lernen". Das gesamte Journal finden Sie hier.

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