Die Waldwirtschaft in Deutschland entnimmt dem Wald schon seit Jahrhunderten nur so viel wie nachwächst.
Für sie ist die Spanne eines Menschenlebens nicht ausreichend: Forstwirtschaft und Holzhandel haben längere Zeiträume im Blick. Müssen sie auch. Ihre Entscheidungen zeigen Auswirkungen teilweise erst in 150 Jahren. Besuch bei einem Forstwirt und einem Holzhändler.
Von Heinrich Wullhorst
Vittinghoff Schellʼsche Betriebe: Nachhaltiger Waldbau
„Die Nachhaltigkeit hat die Forstwirtschaft erfunden“, weiß Max Baron von Elverfeldt. Das BKU-Mitglied leitet zusammen mit seiner Frau die Vittinghoff Schell’schen Betriebe im niederrheinischen Goch. 800 Hektar Wald und 400 Hektar landwirtschaftliche Flächen werden von ihnen bewirtschaftet. Weitere Aufgaben liegen in der Vermietung und Verpachtung von alten Landarbeiterhäusern und in der Jagd. Hans Carl von Carlowitz hieß der Mann, der die Nachhaltigkeit zum Prinzip machte. Er war im 17. Jahrhundert zuständig für das Forstwesen im Erzgebirge. Er empfahl für seine Wälder eine „continuierliche, beständige und nachhaltende Nutzung“ und legte fest, dass dem Wald nur so viel Holz entnommen werden dürfe, wie wieder nachwachse.
„Dieser Grundsatz gilt für uns Waldbesitzer noch heute“, betont von Elverfeldt. Deshalb führen sie alle zehn Jahre eine sogenannte Forsteinrichtung, quasi eine Inventur durch. Dann wird durch externe Gutachter geschaut, was für Baumarten im Wald vorhanden sind, welches Wachstum sie aufweisen und wie der jährliche Zuwachs aussieht. Der Zuwachs liege dort bei etwa fünf Festmetern Holz pro Hektar und Jahr und den dürfe man dann dem Wald entnehmen. „Das ist etwas, dass wir für den Ressourcenverbrauch auf der ganzen Welt zum Maßstab nehmen sollten“, erklärt der Baron.
„Kaum jemand tut so viel für das Klima wie die Waldbesitzer“, stellt von Elverfeldt fest. Dazu sei es aber erforderlich, den Wald gut zu bewirtschaften und seine Entwicklung nicht, wie von einigen aktuell gefordert, allein der Natur zu überlassen. „Durch die Photosynthese ist der Wald der Klimaschützer schlechthin. Das CO2 wird aus der Atmosphäre gezogen und dann in dem Holzprodukt gespeichert“, erklärt der Baron. Wenn man den Baum dann fälle und daraus einen Tisch oder eine Tür mache, bleibe das CO2 weiter in ihm gebunden. Überlasse man den Baum der Natur, verrotte er irgendwann und setze das CO2 wieder frei. „Je mehr ich also das Holz nutze, desto mehr tue ich für das Klima, da an die Stelle, an der der Baum stand, ein neuer gepflanzt wird, der ebenfalls wieder CO2 aufnimmt.“
Enormer Produktivitätszuwachs
Die Holzwirtschaft habe in den letzten Jahrzehnten einen enormen Produktivitätszuwachs erfahren, berichtet von Elverfeldt. Allerdings sind die Preise zu seinem Bedauern gleich geblieben. „Da hat sich real in den letzten 40 Jahren beim Holzpreis für uns Erzeuger nicht viel getan.“ Deshalb habe man an den Kosten arbeiten und die Produktivität erhöhen müssen. „Vor 50 Jahren waren hier noch etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt, heute machen wir das mit einem Mann und sonst mit freien Mitarbeitern.“ Mit dem Ertrag aus einem Festmeter Holz habe man früher einen Mitarbeiter komplett bezahlen können, heute reiche das allenfalls für ein paar Stunden. Ärgerlich sei es, dass die Sägebetriebe und der Handel derzeit deutlich mehr von der erhöhten Nachfrage an Holz profitierten als die Waldbauern. Der veränderte Bedarf an Holz ergebe sich dadurch, dass Länder wie China und die Vereinigten Staaten von Amerika inzwischen ihren eigenen Bedarf auch auf dem deutschen Markt decken würden. Dass ein solches Marktverhalten mit den langen Transportwegen am Ende nicht mehr wirklich nachhaltig sei, räumt der Baron ein. „Wir können allerdings nur darauf schauen, dass wir unseren Wald nachhaltig bewirtschaften, alles andere entzieht sich unserer Kontrolle und unseren Möglichkeiten.“
Dürre und Käferbefall zerstören die Wälder
Die Zerstörung der Wälder in den letzten Jahren durch die zunehmende Dürre und den Käferbefall sei dramatisch und furchtbar anzuschauen, besonders für denjenigen, der seine Wälder hegt und pflegt. Der Schaden, der den Waldbesitzern in den letzten drei Jahren entstanden ist, wird auf etwa 13 Milliarden Euro taxiert. Die Entschädigungsleistungen des Staates liegen allerdings bisher nur bei etwa zehn Prozent der Schadenssumme. Ein Drittel der Fläche der Bundesrepublik Deutschland ist übrigens bewaldet. Etwa die Hälfte der Wälder sind in Privatbesitz. Es gibt rund zwei Millionen Waldbesitzer in Deutschland.
Die Waldwirtschaft ist ein hoch kompliziertes Gebilde, bei dem Entscheidungen von heute in 80 bis 150 Jahren noch Wirkung zeigen. Deshalb sei es auch nicht fair, früheren Generationen vorzuwerfen, sie hätten mit dem, was sie für den damaligen Waldaufbau für richtig hielten, fehlerhafte Entscheidungen getroffen. „Um beispielsweise die Vielzahl an gepflanzten Fichten aus der Vergangenheit richtig einzuordnen, muss man natürlich einen Blick in die Geschichte werfen“, erläutert von Elverfeldt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es erforderlich gewesen, Deutschland wieder aufzubauen. Daraus habe sich die Notwendigkeit ergeben, möglichst viel Bauholz zur Verfügung zu haben. Deshalb habe man Fichten gepflanzt, die sich zu diesem Zweck am besten eignen. Aus der heutigen Sicht sei das vielleicht zu viel und zu einseitig gewesen. Die Rückschau nutze allerdings nichts mehr, sondern man müsse den Blick nach vorne richten.
„Um im Wald zukunftsfähig zu wirtschaften, brauchen wir eine gute Durchmischung der Baumarten, um uns den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen“, stellt der Baron fest.
Das Holzland der Firma Leyendecker
Was mit dem Holz weiter geschieht, das aus Wäldern wie dem der Vittinghoff Schell’schen Betriebe kommt, kann man im Trierer Holzland der Firma Leyendecker sehen. Das Traditionsunternehmen in der Moselstadt hat 1860 als Holz- und Baustoffgroßhandlung begonnen, mit der Übernahme des Betriebes durch BKU-Mitglied Peter Leyendecker im Jahr 1962 dreht sich fast alles nur noch um das Thema Holz. Am jetzigen Standort ist das Unternehmen mit seinen heute 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit 1998 tätig. Dort gab es ausreichend Platz, um den Betrieb immer weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Dabei kommt es der Firma zugute, dass der Sohn des Seniors, Stefan Leyendecker, als Architekt und Gesellschafter die Planung neuer und moderner Hallen, die ein Unternehmen heute braucht, um marktfähig zu bleiben, selbst durchführen kann. Denn die Situation im Holzhandel hat sich in den letzten 30 Jahren dramatisch gewandelt.
Größte Bedrohung durch Turbokapitalisten
„Die größte Bedrohung für unsere Branche sind die Turbokapitalisten“, sagt Peter Leyendecker. Auch deshalb engagiert er sich seit vielen Jahren im BKU und in der Politik für die Bewahrung der Sozialen Marktwirtschaft. „Wenige Monopolisten, vor allem aus dem europäischen Ausland, versuchen, ihre marktbeherrschende Position auszubauen“, beschreibt Leyendeckers geschäftsführender Gesellschafter Edwin Steffen. Dabei werden die Preise nach oben getrieben, um die Umsätze und den Unternehmenswert kurzfristig zu steigern. „Danach gehen die Heuschreckeninvestoren dann hin und stoßen die Betriebe ab.“ Mit nachhaltiger Unternehmensführung habe das, so Steffen, überhaupt nichts zu tun.
Das Holzland Leyendecker hat die Stürme der Branche in den letzten Jahren gut überlebt. Im Umland sind viele Mitbewerber in der Zeit vom Markt verschwunden. „Vor 30 Jahren gab es allein in Trier noch sieben Holzhändler“, erklärt Peter Leyendecker. Nur seine Firma ist aus diesem Kreis übrig geblieben. Im benachbarten Saarland sind etwa 26 Betriebe der Holzbranche nicht mehr vorhanden. „Es ist von zentraler Bedeutung, die Nachfolge im Unternehmen gut zu regeln und Investitionsentscheidungen zu treffen, die den Betrieb nach vorne bringen“, betont Peter Leyendecker. So hat seine Firma in den vergangenen Jahren allein fünf Millionen Euro in ein 5 000 Quadratmeter großes, vollautomatisches Flächenlager investiert. Dort können Holzplatten auf drei Etagen auch chaotisch eingelagert und auf Knopfdruck wieder ausgelagert und verpackt werden. „So können wir die Fläche so effizient wie möglich nutzen“, beschreibt Steffen.
Die Entwicklungen in der Branche bringen es mit sich, dass die Nachfrage gerade von Fachbetrieben nach möglichst passgenau vorbereiteten Produkten wächst. „Vielen Schreinerbetrieben fehlt es heute neben dem Fachpersonal an einem aufwendigen Maschinenpark und entsprechenden Lagerkapazitäten, deshalb müssen wir unser Angebot darauf ausrichten“, berichtet Peter Leyendecker. Das zieht natürlich wieder erhebliche Investitionen nach sich. So werden jetzt eine neue größere Druckbalkensäge und ein Kantenanleimer angeschafft. Der Fachkräftemangel im Handwerk wird allerdings zunehmend zum Problem. „Wir verlieren im Jahr 30 bis 40 handwerkliche und gewerbliche Kunden, weil es in den Unternehmen keine fachliche Nachfolge gibt“, berichtet der Senior. Er hat sich daher dafür eingesetzt, dass das Thema Unternehmensnachfolge auch einen entsprechenden Stellenwert im Wahlprogramm der CDU erhalten hat.
Moderne Logistik dient den Kunden
Zum zukunftsfähigen Wirtschaften gehört für die Firma Leyendecker der Aufbau einer modernen Logistik, die eigene Arbeitsabläufe verschlankt, vor allem aber dem Kundeninteresse dient. „Wenn unsere Kunden ihre Bestellung bis 18 Uhr abgeben, bekommen sie am nächsten Morgen die Ware geliefert“, erklärt Steffen. Über Nacht werden in einem Drei-Schicht-Betrieb bis zu 18 moderne Lkw beladen. Durch die Software, mit der die Lieferungen gesteuert werden, lässt sich, fast auf die Minute genau, der Zeitpunkt avisieren, an dem die Ware beim Kunden sein wird. „Und das bekommen wir in der Regel mit einer Abweichung von vielleicht fünf Minuten hin“, ist der Geschäftsführer stolz.
„Zukunftsfähig Wirtschaften heißt für uns aber vor allem auch, nachhaltig zu arbeiten“, betont Stefan Leyendecker. „Als Fami- lienunternehmen sehen wir uns in der Verantwortung für unsere ökologische und gesellschaftliche Umwelt.“ Dazu gehöre das Bewusstsein für die Bedeutung des nachwachsenden Rohstoffes Holz. „Wir agieren nach dem Verhaltenskodex des Gesamtverbandes deutscher Holzhandel und vertreiben nur zertifizierte Hölzer.“ Darüber hinaus setzt die Firma Leyendecker, um die Nachhaltigkeitsziele ihres Unternehmens zu erreichen, auf ressourceneffiziente Technologien. So produziert der Betrieb durch die Installation einer Photovoltaikanlage einen Teil seines Strombedarfs inzwischen selbst.
Familienunternehmen mit wertschätzendem Umgang
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Unternehmens stehen neben den Kunden selbstverständlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Als Familienunternehmen legen wir einen besonderen Wert auf einen wertschätzenden Umgang“, unterstreicht Peter Leyendecker. Das helfe dabei, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine lange Zeit im Betrieb zu halten. Das sei allerdings, vor allem auch durch die Nähe zu Luxemburg, wo das Gehaltsgefüge erheblich höher sei, oft schwierig. „Oft bilden wir hier in Deutschland gut aus, und aus Luxemburg werden unsere Mitarbeiter dann abgeworben. Eigentlich müssten wir, wie im Fußball üblich, dann eine Ausbildungsentschädigung erhalten“, meint der Senior.
Nachhaltigkeit als Zukunftsaufgabe
Der Blick in die beiden Unternehmen zeigt: Die Tradition des nachhaltigen Umgangs mit dem Holz weist den Weg in die Zukunft. Hier gilt es, neue Ideen zu entwickeln, die bei der Bewältigung der Klimakrise helfen und dabei den Unternehmen die Möglichkeit lassen, ertragreich zu wirtschaften. Denn es geht auch immer um die Menschen, die im Waldbau oder im Holzhandel tätig sind und ihren Lebensunterhalt verdienen.
Fotos: Heinrich Wullhorst und Firma Leyendecker